OVG Münster: Wissenschaftlerin der Uniklinik Münster darf vorläufig weiterhin Tierversuche durchführen

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster hat die sofortige Vollziehung einer Ordnungsverfügung der Stadt Münster ausgesetzt, mit der diese einer Wissenschaftlerin der Hautklinik des Universitätsklinikums in Münster aus Tierschutzgründen das Halten und Betreuen von Tieren für die Durchführung von Tierversuchen untersagt hatte. Mit dem Beschluss vom 26.09.2018 gab es der Beschwerde der Wissenschaftlerin gegen die anderslautende erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster (BeckRS 2018, 5576) statt. An der Rechtmäßigkeit der Untersagungsanordnung bestünden Zweifel, so die Begründung (Az.: 20 B 569/18, unanfechtbar).

OVG Münster: Fragen zu tierschutzrechtlichen Verstößen offen

Die Untersagung beruhe auf der Annahme der Stadt, die Wissenschaftlerin sei verantwortlich dafür, dass drei für Tierversuche gehaltene Mäuse unter Berücksichtigung ihres schlechten körperlichen Zustandes und ihrer Schmerzen und Leiden nicht rechtzeitig getötet worden seien und einer dieser Mäuse eine Rückenverletzung zugefügt worden sei, die keinem genehmigten Tierversuch zugeordnet werden könne, erläutert das OVG. Ob diese Annahme zutreffend sei, sei aber zweifelhaft. Nicht hinreichend geklärt sei etwa, wann die bei einer der Mäuse festgestellte Verhaltensauffälligkeit erstmals aufgetreten beziehungsweise bemerkt worden sei. Fraglich sei auch, ob der Wissenschaftlerin in Anbetracht einer ihr einzuräumenden Prüfungs- und Entscheidungsfrist vorgeworfen werden könne, die Tötung dieser Maus nicht frühzeitiger veranlasst zu haben. Letzteres gelte auch für eine zweite Maus.

Verantwortlichkeit gerade betroffener Wissenschaftlerin nicht geklärt

Offen sei auch, ob die in Rede stehenden tierschutzrechtlichen Verstöße gerade der betroffenen Wissenschaftlerin anzulasten seien. Zwar sei sie als Leiterin der Forschungsgruppe für den anforderungsgerechten Umgang mit den Tieren verantwortlich gewesen. Sie habe aber Vorkehrungen für das Verhalten ihrer Mitarbeiter getroffen, so das OVG. So habe sie Arbeitsanweisungen erlassen, wonach die Tiere täglich zu kontrollieren und die Wissenschaftler über Auffälligkeiten zeitnah zu informieren gewesen seien. Dem Bericht einer von der Universität eingesetzten Kommission zufolge habe sie auch regelmäßige und engmaschige Kontrollen der Tierhaltung durchgeführt. Wer der einen Maus die Rückenverletzung zugefügt habe, sei im Übrigen nicht bekannt, heißt es im Beschluss weiter.

Prognose der Stadt zu zu erwartenden weiteren Verstößen unzureichend

Ferner bemängelte das Gericht, dass die Prognose der Stadt, die Antragstellerin werde weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen, nicht auf einer hinreichend geklärten Grundlage beruhe. Es handele sich hier um die erste Beanstandung dieser Art bei – wahrscheinlich – vielen bisher von der Antragstellerin geleiteten Tierversuchen. Der Bericht der Kommission enthalte Vorschläge zur Verbesserung der Kontrollinstrumente, mit deren Umsetzung die Möglichkeiten, eine strikte Einhaltung der Anforderungen zu überwachen, weiter verbessert würden.

Interessenabwägung fällt zugunsten der Wissenschaftlerin aus

Damit fällt laut Gericht die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus. Die Untersagung der Durchführung von Tierversuchen, die einen wesentlichen Teil ihrer beruflichen Tätigkeit ausmachten, hindere sie an der Ausübung ihrer grundrechtlich geschützten Arbeit als Wissenschaftlerin. Das gegenüberstehende Risiko, bei weiteren Tierversuchen würden die einzuhaltenden Anforderungen nicht erfüllt, falle zwar angesichts des hohen Ranges des Tierschutzes erheblich ins Gewicht. Eine Verwirklichung dieser Gefahr liege aber auch angesichts der nunmehr bestehenden stärkeren Kontrollmöglichkeiten ausgesprochen fern.

OVG Münster, Beschluss vom 26.09.2018 - 20 B 569/18

Redaktion beck-aktuell, 27. September 2018.