OVG Koblenz: Ausweisung ausländischen Sexualstraftäters aus generalpräventiven Gründen zulässig

Ein in Deutschland aufgewachsener Ausländer, der eine schwere Sexualstraftat begangen hat, die Ausdruck einer durch ein frauenverachtendes Weltbild geprägten Einstellung ist, kann aus generalpräventiven Gründen ausgewiesen werden. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz mit Beschluss vom 23.10.2018 entschieden (Az.: 7 A 10866/18).

Türkischer Sexualstraftäter wurde aus generalpräventiven Gründen ausgewiesen

Der Kläger, der türkischer Staatsangehöriger ist, reiste im Alter von 7 Jahren mit seiner Familie nach Deutschland ein. Nach seiner Festnahme im Jahr 2012 verurteilte ihn das Landgericht wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Aussetzung rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren, die er vollständig verbüßte. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen hatten der damals 19-jährige Kläger und zwei weitere junge Männer eine 16-jährige Bekannte unter Alkohol gesetzt und in ein Parkhaus verbracht. Dort wurde das inzwischen willenlose Mädchen vom Kläger sexuell missbraucht und von einem der Mittäter so schwer am Unterleib verletzt, dass es operiert werden musste und eine weitere Operation nach 18 Monaten erforderlich war. Die Täter ließen das unbekleidete und stark blutende Opfer im Parkhaus zurück. Der Kläger wurde vom beklagten Kreis primär aus generalpräventiven Gründen ausgewiesen. Die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt. Seine hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab.

OVG: Ausweisung des Klägers aus generalpräventiven Gesichtspunkten gerechtfertigt

Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung bestätigt und den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Die Vorinstanz habe zu Recht entschieden, dass ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliege, dem kein gleichwertiges Bleibeinteresse gegenüberstehe. Generalpräventive Gesichtspunkte könnten ein Ausweisungsinteresse begründen, wenn damit gerechnet werden könne, dass sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche Ausweisungspraxis ordnungsgemäß verhielten. Die Schwere der vom Kläger begangenen Tat und vor allem die Motivation für diese ließen die Ausweisung als erforderlich erscheinen, um andere Ausländer in vergleichbarer Situation von ähnlichen Delikten abzuhalten. Die besondere Brutalität der Tat ergebe sich aus den Feststellungen des rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils.

Straftat des Klägers war von archaischem Frauenverständnis getragen

Unter generalpräventiven Gesichtspunkten von besonderer Bedeutung sei das Geschehen im Vorfeld der Tat und insbesondere die sich daraus ergebende Einstellung der Täter. Nach den Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils kannten die Täter das Opfer, das wie sie einen türkischen beziehungsweise kurdischen Migrationshintergrund aufweise. Die 16-jährige habe allerdings westliche Wertvorstellungen angenommen. Sie habe sich nach westlicher Mode gekleidet und geschminkt und sei ohne Begleitung ausgegangen. Allein dies habe sie nach dem Welt- und Frauenbild der Täter bereits als zu verachtende “Schlampe, die es mit jedem und gerne auch mit mehreren Männern gleichzeitig treibe“ qualifiziert. Aus diesem Grund hätten sie die Jugendliche als Opfer gewählt. Diese Einstellung zeuge von einem archaischen Frauenverständnis, welches mit dem im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Verständnis von der Rolle der Geschlechter nicht in Einklang zu bringen sei.

Ausweisung soll Täter mit vergleichbarem Hintergrund abschrecken

Danach seien Männer und Frauen gleichberechtigt und die Würde des Menschen sei unantastbar, gleich ob es sich um Männer oder Frauen handele. Diese Rechte bildeten den Rahmen, den das deutsche Recht für den selbstbestimmten Umgang der Geschlechter miteinander vorsehe. Damit sei die Vorstellung, Frauen mit westlich geprägtem Auftreten stünden ohne weiteres für sexuelle Handlungen zur Verfügung, nicht vereinbar. Es sei Aufgabe des Rechts der Gefahrenabwehr – und damit des Ausweisungsrechts nach dem Aufenthaltsgesetz – zu verhindern, dass eine solche, nicht an der Gleichberechtigung von Mann und Frau ausgerichtete Vorstellung Ausländer, die sich nicht an den Wertvorstellungen des Grundgesetzes orientierten, zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verleite. Vor diesem Hintergrund sei die Ausweisung des Klägers zur Verhinderung schwerer Straftaten erforderlich, indem einer Vielzahl von jungen Männern verdeutlicht werde, dass der deutsche Staat nicht nur Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bestrafe, sondern auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergreife.

OVG Koblenz, Beschluss vom 23.10.2018 - 7 A 10866/18

Redaktion beck-aktuell, 20. November 2018.