OLG Stuttgart: Dreieinhalb Jahre Haft für Syrer wegen Beteiligung an Entführung eines UN-Mitarbeiters

Ein Syrer muss wegen Beteiligung an der Entführung eines Mitarbeiters der Vereinten Nationen in Syrien drei Jahre und sechs Monate in Haft. Der Fünfte Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verkündete am 20.09.2017 die Verurteilung wegen Beihilfe zu einem mit erpresserischem Menschenraub, versuchter schwerer räuberischer Erpressung in drei tateinheitlichen Fällen und schwerer Freiheitsberaubung tateinheitlich zusammentreffenden Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 Völkerstrafgesetzbuch. Erstmals wurde damit seit Erlass des Völkerstrafgesetzbuchs im Jahr 2002 ein Verbrechen nach dessen § 10 Abs. 1 Nr. 1 von einem deutschen Gericht abgeurteilt (Az.: 5 - 3 StE 5/16).

Lösegeldforderungen blieben erfolglos

Nach den Feststellungen des OLG wurde ein Mitarbeiter der Mission der Vereinten Nationen auf den Golanhöhen (United Nations Disengagement Observer Force – UNDOF), der im Prozess als Nebenkläger beteiligt war, am 17.02.2013 in der Nähe von Damaskus entführt und dann in einem Gebäude südwestlich von Damaskus gefangen gehalten. In der Folgezeit erhob die Gruppierung – im Ergebnis allerdings erfolglos – Lösegeldforderungen gegenüber den Vereinten Nationen, der kanadischen Regierung sowie der Familie des Entführten. Der Nebenkläger konnte am 16.10.2013 eine Gelegenheit zur Flucht nutzen.

Gruppe als Elektriker und Bewacher an sieben Tagen unterstützt

Das OLG ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte sich während der Gefangenschaft des Nebenklägers innerhalb eines Monats im Frühjahr 2013 an sieben Tagen als Elektriker und als Bewacher des Gefangenen bereit erklärt hatte, die Gruppe, in deren Gewalt sich der Nebenkläger befand, darin zu unterstützen, diesen auch weiterhin gefangen zu halten, um so Lösegeld erpressen zu können.

Mittäterschaft abgelehnt

Anders als in der Anklage hat das OLG angesichts der nur untergeordneten Tatbeiträge im Angeklagten allerdings keinen Mittäter gesehen, sondern einen Gehilfen. Weiter habe die Beweisaufnahme in Abweichung zur Anklage keinen sicheren Nachweis erbracht, dass die Tat der ausländischen terroristischen Vereinigung "Jabhat al Nusra" zuzurechnen ist oder dass der Angeklagten sich als Mitglied an "Jabhat al-Nusra" beteiligt hatte beziehungsweise diese unterstützte. Bei der Strafzumessung hat das OLG eigenen Angaben zufolge einerseits unter anderem das Geständnis des Angeklagten stark zu seinen Gunsten berücksichtigt, andererseits aber auch Dauer und Umstände der Gefangenschaft des Nebenklägers gewürdigt.

Revision möglich

Seit dem 20.10.2016 hatte das OLG im Mehrzweckgebäude in Stuttgart-Stammheim im Rahmen der Beweisaufnahme über 20 Zeugen und Sachverständige vernommen, umfangreiche Ermittlungen im Rechtshilfewege getätigt sowie zahlreiche Dokumente und Videos in die Verhandlung eingeführt. Der Mann befindet sich seit 21.01.2016 in Untersuchungshaft, das OLG ordnete deren Fortdauer an. Dem Angeklagten, dem Generalsbundesanwalt sowie den Nebenklägern stehen gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.

OLG Stuttgart, Urteil vom 20.09.2017 - 5 - 3 StE 5/16

Redaktion beck-aktuell, 20. September 2017.