OLG Naumburg: Onlineapotheken dürfen Widerrufsrecht von Verbrauchern nicht generell ausschließen

Internetapotheken dürfen das Widerrufsrecht von Verbrauchern bei Medikamentenbestellungen nicht generell ausschließen. Eine entsprechende AGB-Klausel des Portals iPill.de hat das Oberlandesgericht Naumburg für rechtswidrig erklärt. Das Urteil vom 22.06.2017 (Az.: 9 U 19/17), auf das der klagende Verbraucherzentrale Bundesverband hinwies, ist noch nicht rechtskräftig.

Internetapotheke schloss Widerrufsrecht für Medikamente generell aus

Der Betreiber der Internetapotheke iPill.de hatte in seinen AGB das Widerrufsrecht für apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel generell ausgeschlossen. Die Versandapotheke begründete diese Einschränkung unter anderem mit der Verderblichkeit von Medikamenten.

vzbv seiht Verstoß gegen Regelungen zum Widerrufsrecht im Fernabsatz

In der Klausel sah der vzbv eine ungerechtfertigte Beschränkung des gesetzlichen Widerrufsrechts im Fernabsatzhandel. "Verbraucher haben grundsätzlich das Recht, Bestellungen im Internet innerhalb einer bestimmten Frist zu widerrufen", sagte Heiko Dünkel, Rechtsreferent beim vzbv. Eine speziell für Medikamente geltende Ausnahme finde sich im Gesetz nicht. Dies habe nun auch das OLG Naumburg so gesehen.

Testkauf von 13 Packungen Paracetamol

In dem Verfahren sei es darüber hinaus um einen vom vzbv beauftragten Testkauf von 13 Packungen des Schmerzmittels Paracetamol gegangen, so der vzbv. Dabei handele es sich um das 25-fache der vom Hersteller angegebenen Tagesdosis. Die Zeugin habe nach Absendung der Bestellung lediglich mit "o.k." bestätigen müssen, dass sie ausreichend über die "hohen pharmazeutischen Bedenken bei der regelmäßigen hohen Einnahme von mehr als drei Packungen/Abführmittel/Schmerzmittel" aufgeklärt wurde.

Bei Verdacht auf Medikamentenmissbrauch formelhafte Belehrung nicht ausreichend

Der vzbv beanstandete hier eigenen Angaben zufolge, dass die Versandapotheke bei der Testbestellung einem möglichen Medikamentenmissbrauch nur unzureichend nachgegangen ist. Das OLG habe bestätigt, dass eine formelhafte Belehrung nicht ausreiche. Bei der Bestellung einer solch ungewöhnlich hohen Menge eines Medikaments mit Missbrauchspotential hätte die Apotheke gezielt nachfragen und die Abgabe im Zweifelsfall verweigern müssen.

OLG Naumburg, Urteil vom 22.06.2017 - 9 U 19/17

Redaktion beck-aktuell, 27. Juli 2017.