Vermächtnis: Testamentsvollstreckervergütung nicht unbedingt vorrangig

Ist den Vermächtnisnehmern das gesamte liquide Vermögen nach Abzug von Nachlassverbindlichkeiten zugewiesen, ist die Frage, ob aus dem vorhandenen Nachlass vorrangig die angeordneten Vermächtnisse oder die Testamentsvollstreckervergütung zu erfüllen ist, im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Oberlandesgericht München, auf das die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins am Mittwoch hinwies.

Hätte Bar- und Buchgeld ungeschmälert ausgekehrt werden müssen?

Eine 2017 verstorbene Frau hinterließ in dem Fall ein Testament und ein beträchtliches Vermögen, unter anderem wertvolle Gemälde. Ihre Erben belastete sie mit einer Testamentsvollstreckung sowie mit einem Vermächtnis, wonach das bei ihrem "Tode nach Abzug aller Erblasser- und Erbfallschulden, einschließlich der Kosten für Pflege, Beerdigung sowie sonstiger Verpflichtungen und nach Auflösung meines Haushalts vorhandene Bar- und Buchgeld sowie eventuell noch vorhandene Wertpapiere" an eine von ihr namentlich bezeichnete Personen ausgekehrt werden soll. Der Testamentsvollstrecker entnahm zuerst seine Testamentsvollstreckervergütung, bevor er das Bar- und Buchgeld an die Vermächtnisnehmerin auskehrte. Diese ist der Ansicht, er hätte ihr das Bar- und Buchgeld ungeschmälert auskehren und sich wegen seiner Vergütung an die Miterben halten müssen.

OLG: Begriff nicht im rechtstechnischen Sinne verwendet

Zu Recht, urteilen die Richter. Schuldner der Testamentsvollstreckervergütung seien grundsätzlich die Miterben und nicht die Vermächtnisnehmer. Etwas anderes ergebe sich hier auch nicht aus der Vermächtnisanordnung; denn die Testamentsvollstreckervergütung falle im konkreten Fall nicht unter den Begriff der Erbfallschulden. Dies ergebe die Auslegung des Testaments: Zwar erfasse der Rechtsbegriff der "Erbfallschulden" dem Wortlaut nach grundsätzlich auch eine Testamentsvollstreckervergütung. Die Erblasserin habe den Begriff aber nicht im rechtstechnischen Sinne verwendet. Dies zeige sich schon daran, dass unter "Erbfallschuld" auch Vermächtnisse fallen, was hier kaum Sinn machen würde.

Begriff der Erblasser- und Erbfallschulden exemplarisch erläutert

Die Erblasserin habe exemplarisch erläutert, was sie unter Erblasser- und Erbfallschulden versteht. Zu den vom Vermächtnis abzuziehenden Kosten habe sie vor allem geringere Positionen wie die Beerdigungskosten gezählt, obwohl sie gemessen am Wert ihres Vermögens mit erheblichen Kosten für die Testamentsvollstreckung rechnen musste. Außerdem sei Dauertestamentsvollstreckung angeordnet worden. In diesem Fall ist in regelmäßigen Zeitabschnitten die Vergütung zu entrichten, während die Vermächtnisse sofort zu erfüllen sind. Damit war das Bar- und Buchgeld nach Ansicht des OLG ohne Abzug der Testamentsvollstreckervergütung auszukehren.

OLG München, Urteil vom 13.06.2022 - 33 U 6666/21

Redaktion beck-aktuell, 12. Oktober 2022.