OLG Köln: Händler muss gebrauchten VW-Diesel mit "Schummel-Software" zurücknehmen

Mit Beschluss vom 28.05.2018 hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln entschieden, dass ein Kölner Autohaus einen VW Eos 2,0 TDI mit dem Motor des Typs EA 189 mit Abschaltvorrichtung zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten muss. Damit wurde im Beschlussverfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO eine erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Köln bestätigt.

Kläger erklärte Rücktritt

Der Kläger hatte das im Jahr 2011 erstmals zugelassene Gebrauchtfahrzeug im April 2015 zu einem Preis von 22.000 Euro gekauft. Im November 2015 forderte er das Autohaus dazu auf, innerhalb von etwa 3,5 Wochen ein mangelfreies Fahrzeug gleichen Typs nachzuliefern, hilfsweise das ausgelieferte Fahrzeug nachzubessern. Nachdem das Autohaus auf die für Anfang des Jahres 2016 geplante Rückrufaktion zur Behebung des Mangels hingewiesen hatte, erklärte der Kläger Mitte Januar 2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Rückabwicklung. Seit September 2016 steht eine technische Lösung für das Software-Update für das Fahrzeug des Klägers zur Verfügung.

Fahrzeug mit "Schummel-Software" ist mangelhaft

Der 27. Zivilsenat bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Köln, wonach der Händler das Fahrzeug zurücknehmen muss und den Kaufpreis abzüglich eines Nutzungswertersatzes in Höhe von 8 Cent pro gefahrenem Kilometer zu erstatten hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, der vernünftige Durchschnittskäufer erwarte, dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderliche Genehmigung nicht durch eine Täuschung erwirkt habe. Das Fahrzeug sei mangelhaft, da eine Software installiert gewesen sei, die für den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand einen hinsichtlich geringer Stickoxid-Emissionen optimierten Betriebsmodus sowie eine Erkennung des Prüf-Betriebes und eine Umschaltung in den optimierten Betriebsmodus vorsehe. Allein die Installation der Software führe dazu, dass das Fahrzeug nicht die übliche Beschaffenheit aufweise.

Warten auf Software-Update nicht zumutbar

Der Kläger habe bei Abschluss des Kaufvertrages noch davon ausgehen dürfen, dass sich der Hersteller rechtmäßig verhalten würde. Der Käufer habe daher nach Setzung einer Frist vom Vertrag zurücktreten können. Ihm sei nicht zuzumuten gewesen, für einen damals nicht absehbar langen Zeitraum zuzuwarten, da zum einen das Gelingen und der Zeitpunkt eines genehmigten Software-Updates nicht festgestanden hätten und damit die für den Kläger bedeutsame Zulassung weiter in Frage gestanden habe und zum anderen in der Zwischenzeit die Veräußerbarkeit des erworbenen Pkw sowie sein Verkehrswert in Frage gestanden hätten.

Mangel auch nicht unerheblich

Zwar könnte die vom Kläger gesetzte Frist zu kurz gewesen sein. Indes setze eine zu kurz bemessene Frist in der Regel eine angemessene Frist – hier von sieben Wochen – in Lauf. Obwohl das Softwareupdate nach Beklagtenangaben einen Aufwand von weniger als 100 Euro verursache, sei der Rücktritt nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels ausgeschlossen. Dies ergebe eine umfassende Interessenabwägung. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktritterklärung sei das Softwareupdate weder vom Kraftfahrt-Bundesamt geprüft und genehmigt gewesen noch habe es überhaupt zur Verfügung gestanden. Schon mit Rücksicht auf diese ganz erhebliche Ungewissheit zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung könne ein unerheblicher Sachmangel mit Blick auf die möglichen Folgen für den Käufer nicht angenommen werden. Nicht zu beanstanden sei ferner, dass das Landgericht bei der Ermittlung des Nutzungsersatzes von 8 Cent pro gefahrenem Kilometer eine Laufleistung des Fahrzeugs von 275.000 Kilometern angenommen habe.

Revision nicht zugelassen

Der Senat hat die Berufung im Wege des Beschlusses gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil der Fall sich in der Anwendung höchstrichterlich geklärter abstrakter Rechtssätze auf den vorliegenden Einzelfall erschöpft. Eine Revision ist damit nicht zugelassen. Für die unterlegene Partei besteht die Möglichkeit, Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision einzulegen. Der Hersteller des Fahrzeugs war in dem Verfahren nicht als beklagte Partei beteiligt. Dem Hersteller wurde jedoch vom Autohaus der Streit verkündet und er ist auf Seiten des Autohauses als Streithelfer dem Rechtsstreit beigetreten.

VW vermied bisher obergerichtliche Entscheidung

Viele deutsche Oberlandesgerichte hätten in Verhandlungen, Hinweisen und sogar Pressemitteilungen bereits angekündigt, im Abgasskandal zugunsten betrogener Autokäufer entscheiden zu wollen, erklärt die Kanzlei Dr. Lehnen & Sinnig, die mit dem Fall befasst ist. Weil Volkswagen in der Folge einer solchen Entscheidung und insbesondere vor der Verjährung Ende 2018 eine Klageflut befürchte, habe der Konzern bislang immer alles daran gesetzt, eine obergerichtliche Entscheidung unbedingt zu verhindern. Bisher hätten die VW-Anwälte dieses Ziel auch stets erreicht. Teilweise habe Volkswagen die eigene Berufung zurückgenommen wie etwa vor dem OLG Braunschweig, teilweise schlicht den vollen Kaufpreis und die vollen Gerichtskosten gezahlt wie etwa vor dem OLG Naumburg. Teilweise seien auch Einigungen mit den Klägern erreicht worden, wie sich einer Pressemitteilung des OLG Koblenz entnehmen lasse. In all diesen Fällen hätten sich die Prozesse ohne eine richterliche Entscheidung erledigt, auf die sich andere Geschädigte hätten beziehen können.

Prozess vor OLG Köln wohl aus den Augen verloren

In dem jetzigen Verfahren vor dem OLG Köln sei die Berufung überraschend nicht zurückgenommen worden, berichtet die Kanzlei weiter. Mehr noch: Händler und Volkswagen AG hätten sich gegen Ende des Verfahrens nicht einmal mehr aktiv verteidigt. Rechtsanwalt Christof Lehnen geht deshalb davon aus, "dass Volkswagen diesen Prozess einfach aus den Augen verloren hat."

OLG Köln, Beschluss vom 28.05.2018 - 27 U 13/17

Redaktion beck-aktuell, 12. Juni 2018.