OLG Karlsruhe bejaht volle Haftung bei Unfall wegen über Radweg gespannter Slackline

Wer in einem öffentlichen Park ohne weitere Sicherungsmaßnahmen über einen Rad- und Fußweg eine sogenannte Slackline spannt, verstößt gegen § 823 BGB in Verbindung mit § 315 b StGB und § 32 StVO. Dies geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 16.07.2019 hervor. Derjenige, der die Slackline spannt, könne sich nicht darauf verlassen, dass diese für einen Fahrradfahrer rechtzeitig sichtbar ist. Er könne daher vollumfänglich für die Folgen eines solchen Unfalls haften, betonte das Gericht (Az.: 14 U 60/16).

Beklagte entfernten sich kurzzeitig

Die Klägerin fuhr im zugrundeliegenden Fall mit ihrem Fahrrad auf einem circa 3,4 Meter breiten Rad- und Fußweg neben ihrem Ehemann im Sportgelände des Freiburger Stadtteils Rieselfeld. Dort hatten die drei volljährigen Beklagten über den Weg eine circa 15 Meter lange und circa 3 bis 5 Zentimeter breite farbige Slackline gespannt, die für sportliche Balanceübungen verwendet wird. Diese befand sich zwischen den jeweils deutlich neben dem Weg befindlichen Pfosten eines Basketballkorbs und eines Pavillons in einer Höhe von circa 15 bis 25 Zentimeter über dem Boden. Diese Befestigung hatten die Beklagten gewählt, weil sie keine geeigneteren Möglichkeiten fanden. Die in Frage kommenden Bäume waren nicht stabil genug. Die Slackline war nicht zusätzlich optisch gesichert. Als die Beklagten ihre Balanceübungen auf der Slackline unterbrochen hatten, entfernten sie sich kurzzeitig von und hielten sich in dem neben dem Weg befindlichen Pavillon auf.

Bleibende körperliche Beeinträchtigungen, Sachschäden und Verdienstausfall

Die Klägerin, die auf der leicht abschüssigen Strecke vor der späteren Unfallstelle zunächst eine leichte Linkskurve und dann eine Rechtskurve durchfahren musste, erkannte das über den Radweg gespannte Band zu spät und fuhr dagegen. Infolge des abrupten Halts stürzte sie über ihren Fahrradlenker und fiel mit Kopf und Schultern auf den Asphaltboden. Sie verlor kurzzeitig ihr Bewusstsein und musste mit einem Rettungswagen in die Universitätsklinik Freiburg verbracht werden. Aufgrund des Sturzes erlitt sie eine Gehirnerschütterung, eine Schultereckgelenksprengung mit Teilzerreißung des Kapsel-/Bandapparates und eine Prellung der Wirbelsäule. Die Frau musste sich nachfolgend zwei Operationen, drei Krankenhausaufenthalten und einer Rehabilitationsmaßnahme unterziehen und war etwas mehr als fünf Monate arbeitsunfähig. Sie beklagte neben bleibenden Schmerzen und körperlichen Beeinträchtigungen unter anderem auch Sachschäden und Verdienstausfall.

LG sprach 10.000 Euro Schmerzensgeld zu

Das Landgericht hat die Beklagten dem Grunde zu 100% verurteilt, jedoch nur 10.000 Euro Schmerzensgeld und nur einen Teil des eingeklagten materiellen Schadens zugesprochen. Dagegen haben beiden Parteien Berufung eingelegt.

Kein Mitverschulden der Klägerin

Das OLG Karlsruhe (Zivilsenate in Freiburg) hat nach Einholung eines technischen Gutachtens ein Mitverschulden der Klägerin nicht als erwiesen erachtet und die Verurteilung der Beklagten durch das LG dem Grunde nach bestätigt. Durch eine Drehung der circa 3 bis 5 Zentimeter breiten und circa 2 bis 3 Millimeter hohen Slackline könne diese im ungünstigen Fall erst circa 5 Meter vor deren Erreichen von einem Fahrradfahrer als Hindernis erkannt werden. Selbst wenn dieser aufmerksam sei, könne er dann bei einer Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Stunde nicht mehr rechtzeitig vor der Slackline anhalten.

Schmerzensgeld auf 25.000 Euro erhöht

Das Schmerzensgeld hat das OLG auch im Hinblick auf die durch den Unfall eingeschränkten beruflichen Möglichkeiten der Klägerin auf 25.000 Euro erhöht. Weiteren materiellen Schaden konnte der Senat mangels unter Beweis gestellten Vortrags nicht zusprechen. Er hat festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.07.2019 - 14 U 60/16

Redaktion beck-aktuell, 19. Juli 2019.