OLG Hamm: Rechtsfehlerhaft bewertete Jura-Klausuren allein begründen noch keinen Schadensersatzanspruch

Amtspflichtwidrig falsch bewertete juristische Klausuren begründen keinen Schadensersatzanspruch des betroffenen Studenten, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Klausuren bei der Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe besser hätten bewertet werden müssen. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 08.12.2017 entschieden und einen Amtshaftungsanspruch des Klägers nach nicht bestandenem Examen verneint (Az.: 11 U 104/16). Gegen die Entscheidung ist beim Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen III ZR 22/18 die Revision anhängig.

Examensklausuren rechtsfehlerhaft bewertet

Der Kläger verlangte vom beklagten Land Nordrhein-Westfalen Schadensersatz aufgrund eines Bescheides des Justizprüfungsamtes beim Oberlandesgericht Hamm vom 07.09.2007, mit welchem seine staatliche Pflichtfachprüfung (früher: erstes juristisches Staatsexamen) aufgrund der Bewertung von vier Aufsichtsarbeiten mit "mangelhaft" für nicht bestanden erklärt wurde. Die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides stellte das Oberverwaltungsgericht Münster mit Urteil vom 18.04.2012 (BeckRS 2012, 50007) fest und beanstandete die bei den beiden Klausuren im öffentlichen Recht angewendeten Prüfungsmaßstäbe als rechtsfehlerhaft.

Verdienstausfall in Höhe von 105.000 Euro gefordert

Der Bescheid war zu der staatlichen Pflichtfachprüfung ergangen, zu der sich der Kläger im achten Fachsemester seines Studiums der Rechtswissenschaften im März 2007 unter Inanspruchnahme der Freiversuchsregelung angemeldet hatte. 2011 bestand der Kläger die zweite juristische Staatsprüfung und arbeitet jetzt als Rechtsanwalt. Aufgrund des rechtswidrigen Prüfungsbescheides aus dem Jahre 2007 forderte der Kläger vom beklagten Land 105.000 Euro brutto Verdienstausfall und den Ersatz weiterer 1.645 Euro Studiengebühren.

OLG: Schuldhafte Amtspflichtverletzung zwar gegeben

Die Schadensersatzklage ist auch in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben. Das OLG verneinte einen Amtshaftungsanspruch. Die Voraussetzungen dafür seien nicht erfüllt. Dem beklagten Land falle zwar eine schuldhafte Amtspflichtverletzung zur Last, weil bei den beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren des Klägers fehlerhafte Bewertungsmaßstäbe angelegt worden seien somit gegen das Gebot zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln verstoßen worden sei. Die Amtspflichtverletzungen seien auch schuldhaft geschehen. Insoweit müsse sich das Land das fahrlässige Verschulden der zur Bewertung herangezogenen Prüfer zurechnen lassen.

Schadenskausalität der Bewertungsfehler aber nicht bewiesen

Laut OLG kann aber nicht festgestellt werden, dass die fehlerhafte Bewertung der beiden Klausuren den vom Kläger geltend gemachten Schaden verursacht habe. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass sich bei einem pflichtgemäßen Handeln der Prüfer und des Justizprüfungsamtes die Dinge anders als bei dem tatsächlichen Verlauf entwickelt hätten und sich seine Vermögenslage dadurch günstiger darstellen würde. Denn ungeachtet der Bewertungsfehler bei den beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren stehe nicht fest, dass diese bei Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe besser und damit mindestens mit "ausreichend" (vier Punkten) hätten bewertet werden müssen.

Klausurbearbeitung wies gravierende Mängel auf

Die Bewertung einer Prüfungsleistung liege im sachgerecht auszuübenden Ermessen der Prüfer. Diesen bleibe regelmäßig ein Beurteilungsspielraum bei der Notenvergabe. Nach dem Sachverständigengutachten, das zu fraglichen Klausuren eingeholt worden sei, habe die Klausurbearbeitung des Klägers an gravierenden Mängeln gelitten. Daher wäre es gerechtfertigt gewesen, eine der Klausuren auch bei Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe mit "mangelhaft" (zwei Punkten) zu bewerten. Bei der weiteren Klausur sei neben einer Bewertung mit "ausreichend" (vier Punkten) auch eine Bewertung mit "mangelhaft" (drei Punkten) vertretbar und zulässig gewesen.

Gleiches Ergebnis bei fehlerfreier Ermessensausübung nicht auszuschließen

Bei dieser Sachlage bestehe die vom Kläger nicht auszuräumende Möglichkeit, dass auch bei sachgerechter Ermessensausübung die Gesamtnote seiner Prüfungsleistung nicht angehoben und somit seine Prüfungsleistung gleichlautend beschieden worden wäre, so das OLG. Da somit nicht ausgeschlossen werden könne, dass dasselbe Prüfungsergebnis auch bei fehlerfreier Ermessensausübung erzielt worden wäre, entfalle ein Schadensersatzanspruch.

OLG Hamm, Urteil vom 08.12.2017 - 11 U 104/16

Redaktion beck-aktuell, 14. Februar 2018.