OLG Hamm: Kein konkludenter Energielieferungsvertrag durch Realofferte bei vermeintlichem Kundenwechsel

Geht ein Energieversorgungsunternehmen im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses irrtümlich von einem Kundenwechsel aus, kommt kein konkludenter Energielieferungsvertrag mit dem neuen Kunden zustande. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm am 15.01.2018 entschieden und das Urteil der Vorinstanz abgeändert (Az. 2 U 127/17).

Klagende Energieversorgerin nahm Kundenwechsel an

Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, verlangte vom Beklagten die Bezahlung von Gaslieferungen für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 20.03.2012. Bei der Verbrauchsstelle handelt es sich um ein im Eigentum der klägerischen Streithelferin stehendes Hausgrundstück mit einem einzigen Gaszähler und zentraler Heizungs- und Warmwasseranlage. Für diese Verbrauchsstelle hatte die Klägerin zunächst ein Vertragsverhältnis mit der Streithelferin begründet und war im Verbrauchszeitraum aufgrund einer übermittelten, auf den Beklagten lautenden Kundenanmeldung von einem Kundenwechsel auf den Beklagten ausgegangen. Im vorliegenden Rechtsstreit stellte sich heraus, dass diese Kundenanmeldung nicht vom Beklagten unterzeichnet worden war.

Klägerin berief sich auf Gewerbeanmeldung einer auf den Namen des Beklagten lautenden GbR   

Zur Begründung des von ihr angenommenen Kundenwechsels bezog sich die Klägerin zudem auf die Gewerbeanmeldung einer auf den Namen des Beklagten lautenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die ausweislich eines von der Streithelferin vorgelegten Mietvertrages Keller und Erdgeschoss des Hauses im Verbrauchszeitraum angemietet hatte. Der Beklagte trug vor, bei dieser Gesellschaft handele es sich um eine tatsächlich nicht existierende Scheingesellschaft. Die von der Klägerin für den Verbrauchszeitraum abgerechneten Gaskosten von etwa 6.600 Euro bezahlte er nicht.

LG bejahte konkludenten Gaslieferungsvertrag mit GbR

Das Landgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung. Dabei hat es aufgrund der Gewerbeanmeldung des Beklagten angenommen, zwischen der GbR und der Klägerin sei ein Versorgungsvertrag über die Lieferung des streitgegenständlichen Gases zustande gekommen. Den Vertragsschluss habe die Klägerin mit ihrer Realofferte, dem Bereitstellen des Gases, angeboten. Als Inhaberin der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Anschluss habe die GbR das Angebot mit der Entnahme des Gases angenommen. Als Gesellschafter der GbR hafte der Beklagte für deren Verbindlichkeiten. Dagegen legte der Beklagte Berufung ein.

OLG: Fortbestehendes Vertragsverhältnis mit Streithelferin schließt konkludenten Vertragsabschluss mit Beklagtem oder GbR aus

Die Berufung war erfolgreich. In Abänderung des LG-Urteils hat das Oberlandesgericht Hamm die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe weder mit dem Beklagten noch mit der auf seinen Namen lautenden GbR einen Kaufvertrag über die Lieferung von Gas abgeschlossen. Nach eigenem Vortrag der Klägerin habe für die infrage stehende Verbrauchsstelle zunächst ein Vertragsverhältnis mit der Streithelferin, der Eigentümerin des Grundstücks, bestanden. Es sei nicht ersichtlich, dass dieses Vertragsverhältnis wirksam beendet worden sei und ein Kundenwechsel stattgefunden habe. Der von der Klägerin vorgelegten Kundenanmeldung komme insoweit keine Bedeutung bei. Sie sei gefälscht und enthalte keine Willenserklärung des Beklagten. Deswegen habe das Vertragsverhältnis mit der Streithelferin auch nach dieser Anmeldung fortbestanden. Neben diesem fortbestehenden Vertragsverhältnis komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Annahme eines konkludenten Vertragsabschlusses mit dem Beklagten oder der GbR nicht in Betracht.

Auch keine tatsächliche Verfügungsgewalt über Versorgungsanschluss

Laut OLG steht der Annahme eines durch eine Realofferte konkludent abgeschlossenen Energielieferungsvertrages zudem entgegen, dass weder dem Beklagten noch der GbR die tatsächliche Verfügungsgewalt über den infrage stehenden Versorgungsanschluss zugestanden habe. Empfänger einer Realofferte des Versorgungsunternehmens sei typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübe. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei das grundsätzlich der Eigentümer. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, weil das gesamte Hausgrundstück nur über einen einzigen Gaszähler und eine zentrale Heizungs- und Warmwasseranlage verfüge.

Mieter muss hier tatsächliche Verfügungsgewalt über gesamtes Hausgrundstück ausüben können

Einem Mieter - nur als solcher kämen der Beklagte oder die GbR infrage - stehe die tatsächliche Verfügungsgewalt über einen derartigen Versorgungsanschluss nur dann zu, wenn er diese für das gesamte Objekt ausgeübt habe. Hiervon sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Weder dem Beklagten noch der GbR habe das gesamte Hausgrundstück zur Verfügung gestanden. Deswegen bedürfe es auch keiner weiteren Aufklärung, ob die GbR nur eine tatsächlich nicht existierende Scheingesellschaft gewesen sei, wie der Beklagte vorgetragen habe.

OLG Hamm, Urteil vom 15.01.2018 - 2 U 127/17

Redaktion beck-aktuell, 5. Februar 2018.