OLG Hamm: Baulast kann Grundstücksnutzung durch Nachbarn rechtfertigen

Hat sich ein Grundstückseigentümer mit einer Baulast gegenüber der Baubehörde verpflichtet, das Grundstück als Zuwegung für Nachbargrundstücke zur Verfügung zu stellen, beinhaltet dies zwar kein zivilrechtliches Nutzungsrecht des Eigentümers des begünstigten Grundstücks. Dieser kann allerdings einem zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch des Eigentümers des Wegegrundstücks den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegenhalten. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit rechtskräftigem Urteil vom 06.07.2017 entschieden (Az.: 5 U 152/16, BeckRS 2017, 119095).

Baulastverpflichtete verbieten Nachbarn Nutzung des Wegegrundstücks

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Wohnungseigentumsanlagen. Im hinteren Teil des Grundstücks der Beklagten sind Stellplätze angelegt, die über einen Weg angefahren werden, der im Eigentum der Kläger steht. Voreigentümer der Kläger hatten gegenüber der Stadt eine Baulast begründet, nach der sie das Wegegrundstück als Zufahrt für das Nachbargrundstück zur Verfügung zu stellen hatten. Ein zwischen den Parteien des Rechtsstreits zivilrechtlich begründetes Wegerecht existiert nicht. Nachdem es zu Streitigkeiten zwischen den Klägern und einem der Beklagten mit tätlichen Auseinandersetzungen gekommen war, untersagten die Kläger allen Beklagten die Nutzung der Wegeparzelle. Im Wege der zivilrechtlichen Klage verlangten sie dann von allen Beklagten, es zu unterlassen, das Wegegrundstück zum Gehen oder Fahren zu nutzen.

OLG: Unterlassungsbegehren im Wesentlichen ohne Erfolg

Die Klage ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Das OLG hat lediglich dem Beklagten, mit dem es die tätlichen Auseinandersetzungen gab, zur Unterlassung der infrage stehenden Grundstücksnutzung verurteilt. Die übrigen Beklagten seien berechtigt, das Wegegrundstück weiterhin zu benutzen, um zu den Stellplätzen ihrer Wohnungseigentumsanlage zu gelangen. Die Kläger seien verpflichtet, das Gehen und Fahren der übrigen Beklagten über ihr Wegegrundstück zu dulden.

Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens möglich

Wie das OLG erläutert, begründet die von den Rechtsvorgängern der Kläger übernommene Baulast zwar eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde der Stadt. Sie beinhalte aber grundsätzlich kein zivilrechtliches Nutzungsrecht des Eigentümers des begünstigten Grundstücks. Dieser könne allerdings einem zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch des Eigentümers des Wegegrundstücks den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegenhalten. Wenn sich jemand gegenüber der Baubehörde verpflichte, seinem Nachbarn ein Nutzungsrecht zu gewähren, liege es nahe, dass er auch zivilrechtlich keine Handlungen vornehmen dürfe, die den Nachbarn an der Ausübung gerade dieses Rechts hinderten. Dies gelte jedenfalls, solange es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Baubehörde die Baulast nicht durchsetzen oder auf sie verzichten werde.

Keine Anhaltspunkte für behördlichen Verzicht auf Baulast

Laut OLG sollte die Baulast im vorliegenden Fall sicherstellen, dass die Beklagten die rückwärtigen Stellplätze ihrer Wohnungseigentumsanlage erreichen und so die bauordnungsrechtlich erforderliche Anzahl von Stellplätzen vorhalten können. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Baubehörde diese Baulast nicht durchsetzen oder auf sie verzichten wolle. Bei dieser Sachlage verletzten die Kläger mit ihrem Unterlassungsbegehren nicht nur ihre Verpflichtung aus der Baulast gegenüber der Behörde, sondern hinderten zugleich die Beklagten an der Ausübung ihrer der Baulast entsprechenden Wegerechte. Das sei in Bezug auf die Beklagten, die mit den Klägern keine Auseinandersetzung geführt hätten, treuwidrig, so das OLG.

Tätlich gewordener Beklagter kann sich auf treuwidriges Verhalten der Kläger nicht berufen

Auf dieses treuwidrige Verhalten der Kläger könne sich allerdings der Beklagte, mit dem sich die Kläger tätlich auseinandergesetzt hätten, aufgrund seines eigenen treuwidrigen Verhaltens nicht berufen. Ihm gegenüber sei daher das Unterlassungsbegehren der Kläger begründet.

OLG Hamm, Urteil vom 06.07.2017 - 5 U 152/16

Redaktion beck-aktuell, 16. August 2017.