OLG Frankfurt am Main: Renn-Klub muss Galopprennbahn in Frankfurt-Niederrad räumen

Der Frankfurter Renn-Klub muss das Rennbahngelände in Frankfurt-Niederrad räumen und herausgeben. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden und die Berufung des Renn-Klubs gegen ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zurückgewiesen. Allerdings stellte das OLG mit seinem Urteil vom 27.07.2017 auf die Widerklage des Renn-Klubs zugleich fest, dass die Stadt das mit der vormaligen Betreibergesellschaft bestehende Hauptmietverhältnis nicht durch einen Aufhebungsvertrag wirksam beendet hat (Az.: 2 U 174/16).

Stadt vermiete Areal zunächst an externen Betreiber

Die klagende Stadt nimmt den beklagten Renn-Klub auf Räumung des Rennbahngeländes in Frankfurt-Niederrad in Anspruch. Die Stadt ist Eigentümerin dieses Geländes und vermietete es 2010 an eine Betreibergesellschaft. Zweck des Mietvertrages war die Durchführung von Pferderennen. Der Vertrag hatte eine feste Laufzeit bis mindestens zum 31.08.2024 und war nur außerordentlich kündbar.

Betreibergesellschaft ließ ihre Geschäfte von Renn-Klub besorgen

Die Betreibergesellschaft schloss wiederum mit dem Beklagten einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Mit diesem Vertrag verpflichtete der Beklagte sich, fünf Renntage pro Jahr auf der Rennbahn abzuhalten. Der Vertrag sollte bis zum 31.08.2024 laufen (§ 3 Ziff. 1)und konnte von beiden Seiten halbjährlich jeweils zum 30.06. beziehungsweise 31.12. eines Jahres gekündigt werden (§ 3 Ziff. 2).

Stadt erwirbt Betreibergesellschaft und kündigt Vertrag mit Renn-Klub

Mit notariellem Vertrag vom August 2014 erwarb die Stadt alle Geschäftsanteile an der Betreibergesellschaft. Zugleich wurde der Mietvertrag zwischen der Betreibergesellschaft und der Stadt einvernehmlich aufgehoben. Die vereinbarte Gegenleistung zahlte die Stadt vertragsgemäß an den vormaligen Anteilseigner. Nachfolgend kündigte die Betreibergesellschaft ihrerseits den Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Beklagten; die Stadt wiederholte die Kündigung vorsorglich.

Stadt drängt auf Räumung des Geländes

Die Stadt ist der Ansicht, dass der Beklagte das Gelände räumen müsse. Zur Begründung verweist sie darauf, dass der Beklagte bereits wegen der wirksamen Beendigung des Hauptmietvertrags zur Herausgabe verpflichtet sei. Darüber hinaus sei auch der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Betreibergesellschaft und dem Beklagten wirksam gekündigt worden. Dieser Vertrag sei ausweislich seines eindeutigen Wortlauts ordentlich kündbar gewesen.

Renn-Klub beruft sich auf vertragliche Vereinbarungen

Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, dass weder der Geschäftsbesorgungsvertrag noch der Hauptmietvertrag wirksam beendet worden seien. Der Geschäftsbesorgungsvertrag habe ebenso wie der Hauptmietvertrag nicht vor Ablauf der festen Laufzeit bis zum 31.08.2024 gekündigt werden können. Die Aufhebung des Hauptmietvertrags sei infolge Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam, sie habe dem Renn-Klub die Existenzgrundlage entzogen. Der Beklagte beantragt widerklagend unter anderem festzustellen, dass das Hauptmietverhältnis zwischen der Stadt und der Betreibergesellschaft nicht durch den Aufhebungsvertrag wirksam beendet wurde.

Renn-Klub in erster und zweiter Instanz zu Räumung verurteilt

Das LG hatte den Beklagten zur Räumung des Rennbahngeländes verurteilt und die Widerklage des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Räumungsverpflichtung und verfolgt seine Widerklage weiter. Das OLG hat nach Einvernahme von sieben Zeugen die Berufung des Beklagten gegen die Räumungsverpflichtung zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass der Stadt als Eigentümerin des Geländes ein gesetzlicher Räumungsanspruch gegen den Beklagten zustehe. Der Beklagte verfüge nicht über ein Besitzrecht. Dieses ergebe sich weder aus der Historie der Rennbahn noch aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Betreibergesellschaft.

Geschäftsbesorgungsvertrag laut OLG wirksam gekündigt

Der Geschäftsbesorgungsvertrag sei zwischenzeitlich wirksam gekündigt worden. Dem Wortlaut des Vertrags nach sei der Vertrag halbjährlich kündbar gewesen. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe bestätigt, dass die Parteien bei Abschluss des Vertrags von einer allgemeinen Kündigungsmöglichkeit ausgegangen seien. Dass diese Kündigungsmöglichkeit im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen könne, berechtige das Gericht nicht zu einer inhaltlichen Änderung. Die Kündigungserklärung verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. Die Betreibergesellschaft müsse sich nicht die sittenwidrigen Intentionen ihres früheren Geschäftsführers zurechnen lassen. Sie habe von einer vertraglich eingeräumten Position in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Der Geschäftsbesorgungsvertrag habe dem Beklagten infolge der Kündigungsregelung keine langfristig gesicherte Rechtsposition verschafft.

Vertrag zur Aufhebung des Hauptmietvertrags indes sittenwidrig

Zugleich hat das OLG auf die Widerklage des Beklagten hin festgestellt, dass sich die Stadt dem Beklagten gegenüber nicht auf eine Beendigung des Hauptmietvertrags mit der Betreibergesellschaft durch Abschluss des Aufhebungsvertrags berufen könne. Dieser Vertrag sei unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände als sittenwidrig einzustufen. Bedeutung erlange insbesondere, dass die Aufhebung des Hauptmietvertrags dem noch bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Beklagten die Grundlage entzogen habe. Die Interessen des Beklagten seien trotz des engen Bezugs zwischen dem Hauptmietvertrag einerseits und dem Geschäftsbesorgungsvertrag andererseits in keiner Weise berücksichtigt worden. Die Zahlung für die Übertragung der Geschäftsanteile stelle sich im Ergebnis überwiegend als Gegenleistung für die vorzeitige Aufhebung des Mietvertrages dar. Sie hätte damit auch an die Betreibergesellschaft, nicht nur den vormaligen Anteilseigner erfolgen müssen.

Beide Parteien können noch Revision einlegen

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das OLG hat für beide Parteien wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann hinsichtlich des Räumungstitels die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Stadt vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 27.07.2017 - 2 U 174/16

Redaktion beck-aktuell, 27. Juli 2017.