Grundstückseigentümer muss nicht für völlig risikofrei begehbaren Terrassenzuweg sorgen
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Wer auf einem regennassen, mit Blättern und Ästen bedeckten Zuweg zur nachbarlichen Terrasse stürzt, kann hierfür vom Grundstückseigentümer kein Schmerzensgeld verlangen, wenn der Sturz mit der gebotenen Sorgfalt hätte abgewendet werden können. Die Verkehrssicherungspflicht erfasst nicht den Ausschluss jeglicher Gefährdung. Unter Hinweis hierauf hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main einer gestürzten Nachbarin Prozesskostenhilfe versagt.

Nächtlicher Sturz auf regennassem Zuweg zu nachbarlicher Terrasse

Entlang der von der Antragstellerin gemieteten Garage verläuft auf dem Grundstück der Antragsgegnerin ein unbeleuchteter Steinweg, der über eine offene Tür von der Garage der Antragstellerin aus erreichbar ist. Über diesen Steinweg gelangt man zur Terrasse der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin habe mit ihr reden wollen. Sie habe erstmals diesen Steinweg bei Dunkelheit genutzt, um zu der Antragsgegnerin zu gelangen. Auf dem Rückweg sei sie auf dem mit Blättern, Ästen und Moos bedeckten, regennassen und schmierigen Weg gestürzt. Dabei habe sie sich eine Scham-, Sitz- und Kreuzbeinfraktur zugezogen. Wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten beabsichtigt sie, die Antragsgegnerin auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro zu verklagen.

OLG: Allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch

Ihren Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für diese Klage hatte das LG zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin treffe zwar grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich ihres Grundstücks. Sie müsse damit rechnen, dass Fußgänger den Weg nutzen. Es müsse jedoch nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden. "Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch", betont das OLG insoweit. Zu treffen seien nur diejenigen Sicherheitsvorkehrungen, "die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind".

Schaden bei realisierter fernliegende Gefährdung selbst zu tragen

Komme es in Fällen, in denen keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur "unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen" zu befürchten war, ausnahmsweise zu einem Schaden, müsse der Geschädigte diesen Schaden selbst tragen. So sei es hier. Es sei nicht Aufgabe der Antragsgegnerin gewesen, den Zuweg zu der Terrasse ihres Wohnhauses völlig gefahrlos gegen alle erdenklichen, von dem Weg ausgehenden Risiken für die Nutzer auszugestalten. Sie habe vielmehr nur die Gefahren beseitigen müssen, die für sorgfältige Nutzer nicht erkennbar gewesen sind, mit denen diese nicht rechnen mussten und auf die sie sich auch nicht einrichten konnten. 

Unübersichtlichkeit der Bodenbeschaffenheit hätte zu Vorsicht führen müssen

Hier habe die Antragstellerin bei Dunkelheit einen für sie erkennbar nicht als eigentlichen Zugangsweg zu dem Wohnhaus gewidmeten Weg benutzt. Ihr sei der Weg nicht bekannt gewesen. Dass sie die Beschaffenheit des Weges nicht wahrgenommen habe, habe sie nicht behauptet. Die Antragsgegnerin habe angesichts dieser Umstände unterstellen können, dass sich ein sorgsamer Nutzer "eingedenk der Unübersichtlichkeit der Bodenbeschaffenheit mit angepasster, besonderer Sorgfalt bewegt". Dass sie dies getan habe, habe die Antragstellerin nicht dargetan.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 08.09.2022 - 17 W 17/22

Redaktion beck-aktuell, 22. September 2022.