Bevollmächtigter Ehemann muss Versicherungsverträge seiner Frau nicht kennen
Lorem Ipsum
© mhp / stock.adobe.com

Eine Versicherung kann sich nicht auf die verspätete Anzeige eines Versicherungsfalls berufen, wenn die Versicherungsnehmerin aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands weder den Versicherungsfall selbst anzeigen noch ihren bevollmächtigten Ehemann informieren konnte und dieser keine Kenntnis von dem Versicherungsvertrag hatte. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 11.11.2020 entschieden.

Versicherungsfall mit knapp zwei Jahren Verspätung gemeldet

Der Kläger begehrte von der beklagten Versicherung die rückwirkende Leistung von Pflegetaggeld für seine inzwischen verstorbene Frau. Seine Frau unterhielt bei der Beklagten eine Pflegetagegeldversicherung für den Fall einer Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III). In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen hieß es unter anderem, dass die Leistungen bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls rückwirkend erbracht würden. Der Kläger besaß eine Vorsorgevollmacht für seine Ehefrau. Diese erlitt im August 2012 einen schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, vollständigem Verlust der Sprachfähigkeit und erheblichen Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens. Im April 2013 erhielt sie die Pflegestufe III. Der Kläger meldete den Versicherungsfall im Februar 2015 und beantragte eine rückwirkende Leistungserbringung ab April 2013. Dies lehnte die Beklagte ab. Das Landgericht wies seine Klage ab. Dagegen legte der Kläger Berufung ein.

OLG: Verspätete Anzeige hier unverschuldet

Die Berufung hatte Erfolg. Die beklagte Versicherung habe die rückwirkende Leistung zu Unrecht versagt, so das OLG. Sie könne sich nicht auf eine verspätete Anzeige des Versicherungsfalls gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen. Die verspätete Anzeige sei hier unverschuldet erfolgt. Grundsätzlich müsse der Versicherungsnehmer selbst den Versicherungsfall anzeigen. Versicherungsnehmerin sei hier die Ehefrau des Klägers gewesen, der aufgrund der gesundheitlichen Folgen des Schlaganfalls weder die eigene Anzeige noch eine Information ihres Ehemanns über die streitgegenständliche Versicherung möglich gewesen sei. Die Ehefrau habe auch nicht im Sinne einer vorausschauenden Verhaltenspflicht den Kläger vor dem Eintritt des Versicherungsfalls über das Bestehen des Versicherungsvertrages informieren müssen. Eine solche "Vorsorgeobliegenheit" existiere nicht.

Unverschuldete Unkenntnis vom Vertrag

Der bevollmächtigte Kläger selbst habe auch nicht schuldhaft und in einer seiner Ehefrau zuzurechnenden Weise eine frühere Anzeige des Versicherungsfalls unterlassen. Er habe vielmehr unverschuldet keine Kenntnis vom Bestehen dieses Vertrages gehabt. Die ihm bekannten monatlichen Abbuchungen der Versicherungsbeiträge in Höhe von 20 Euro hätten keinen Anlass geboten, vom Bestehen einer derartigen Versicherung auszugehen. Aus dem Buchungstext habe sich allein ergeben, dass irgendein Versicherungsvertrag bei der Beklagten bestanden habe, nichts jedoch zur Art der Versicherung.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.11.2020 - 7 U 36/19

Redaktion beck-aktuell, 23. November 2020.