OLG Düsseldorf: Rechtsschutzdeckung für «Dieselgate»-Klage

VVG § 128; ARB 2000 § 18 II 1

Aufgrund des Umstands, dass mehrere Landgerichte erstinstanzlich Schadensersatzansprüche gegen die Volkswagen AG wegen des Inverkehrbringens von Dieselfahrzeugen mit manipulierter Abgassoftware bejaht haben und eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Klärung aussteht, bestehen nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Hinblick auf die Verpflichtung von Rechtsschutzversicherern zur Gewährung von Rechtsschutzdeckung für beabsichtigte derartige Klagen hinreichende Erfolgsaussichten.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.09.2017 - 4 U 87/17 (LG Düsseldorf), BeckRS 2017, 125981

Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 20/2017 vom 05.10.2017

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Sachverhalt

Der Kläger begehrt von der Beklagten aus einer Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Volkswagen AG sowie einen VW-Vertragshändler wegen des Erwerbs eines vom sogenannten «VW-Abgasskandal» betroffenen Neuwagens im Jahr 2011. Das Landgericht gab der Klage statt.

Daraufhin erteilte die Beklagte eine Deckungszusage für eine Interessenwahrnehmung gegenüber dem Händler und legte hinsichtlich der Verurteilung zum Deckungsschutz bezüglich des Herstellers VW Berufung ein. Das OLG wies durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO darauf hin, dass es der Berufung der Beklagten keine Erfolgsaussichten beimesse.

Rechtliche Wertung

Die Feststellungsklage sei zulässig. Von der Beklagten als einem großen und renommierten Versicherungsunternehmen könne erwartet werden, dass sie auf ein entsprechendes rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren Deckungsverpflichtungen nachkomme, ohne dass es eines weiteren, auf Leistung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfe.

Auch die Frage, ob hinreichende Erfolgsaussichten insofern bestünden, als der Kläger aus dem erworbenen PKW gezogene Nutzungen nicht streitwertmindernd in Abzug bringe, könne dahinstehen, weil die Beklagte sich hierauf in ihren Deckungsablehnungen nicht berufen habe. Der Rechtsschutzversicherer müsse in seiner Deckungsablehnung sämtliche Gründe  anführen, warum er keinen Rechtsschutz gewähren will.

Räume der vom Versicherungsnehmer beauftragte Rechtsanwalt die vom Versicherer ins Feld geführten Ablehnungsgründe aus, ohne dass ein Stichentscheid von der Sach- und Rechtslage erheblich abweiche, sei dieser Stichentscheid bindend und könne der Versicherer keine weiteren Ablehnungsgründe mehr nachschieben (OLG Hamm, Urteil vom 14.10.2011 - 20 U 92/10, r+s 2012, 117, Leitsätze in FD-VersR 2012, 327310).

Nichts anderes gelte, wenn der Versicherungsnehmer von dem Verfahren nach § 128 VVG absieht, direkt Deckungsklage erhebt und ohne den entsprechenden Einwand des Versicherers in Erster Instanz obsiegt. Aus dem Umstand, dass der Versicherer das Recht verliere, die Leistung wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit abzulehnen, wenn er dies dem Versicherungsnehmer entgegen entsprechender Vorgaben in den ARB nicht unverzüglich schriftlich mitteilt, und sich dieses Recht auch dann nicht wirksam vorbehalten könne, wenn er die Leistung aus anderen Gründen ablehnt (BGH, Urteil vom 19.03.2003 – IV ZR 139/01, a.a.O.), folge, dass ein Nachschieben von Gründen, die eine fehlende Erfolgsaussicht darlegen sollen, nicht zulässig sei.

Auf Mutwilligkeit habe sich die Beklagte in der Deckungsablehnung nicht berufen und sei daher mit diesem Einwand ebenfalls ausgeschlossen.

Für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bestehe eine hinreichende Erfolgsaussicht. Diese sei anhand der zur Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO entwickelten Grundsätzen zu prüfen. Dies bedeute, dass der Standpunkt des Versicherungsnehmers nach den von ihm aufgestellten Behauptungen und den ihm bekannten Einwendungen des Gegners zumindest vertretbar sein müsse (BGH, Urteil vom 19.03.2003 – IV ZR 139/01, r+s 2003, 363) und dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines Erfolges bestehe, wobei aber keine Beurteilung der Beweischancen durch eine antizipierte Beweiswürdigung stattfinden dürfe (BGH a.a.O.). Vorliegend ergebe sich eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits daraus, dass mehrere (wenn auch nicht alle) Landgerichte derartige Ansprüche gegen VW bejaht hätten (s. Nachweise im Urteil). Eine obergerichtliche oder gar höchstrichterliche Klärung sei noch nicht erfolgt.

Der Kläger verstoße mit einer Rechtsverfolgung gegen den Hersteller auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht. Es sei ihm nicht zuzumuten, trotz hinreichender Erfolgsaussicht mit rechtlichen Schritten gegen den Hersteller zuzuwarten.

Praxishinweis

Wie gesagt, handelt es sich hier zunächst lediglich um einen Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO. Der Versicherungsrechts-Senat des OLG Düsseldorf hat den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme bis 24.10.2017 gegeben. Aufgrund der Aktualität des Themas wollen wir sie aber bereits jetzt informieren.

Redaktion beck-aktuell, 19. Oktober 2017.