OLG Düsseldorf: Arglist des Versicherungsnehmers bei Einreichung verfälschter Quittungen

StGB § 267; VHB 2009 § 30; VVG §§ 14 I, 28 III 2, IV

Der Hausratversicherer wird nach einem Einbruchdiebstahl leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer nachträglich verfälschte Quittungen im Wissen um die Veränderungen zum Schadensnachweis beim Versicherer einreicht, selbst wenn er die Verfälschungen nicht selbst vorgenommen hat. Dies hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden. Arglist erfordere dabei keine Bereicherungsabsicht. Es genüge das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung - auch berechtigter - Deckungsansprüche zu beseitigen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.02.2018 - 4 U 164/15 (LG Düsseldorf), BeckRS 2018, 2856

Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 7/2018 vom 05.04.2018

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Sachverhalt

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer 2006 abgeschlossenen Hausratversicherung wegen eines angeblichen Einbruchsdiebstahls, den er 2010 bei der Polizei und bei der Beklagten meldete. Er reichte bei der Beklagten Originalbelege ein sowie eine handschriftliche Liste der zerstörten bzw. entwendeten Gegenstände. Diese will er nicht selbst erstellt haben, sondern eine dritte Person, zu deren Identität es divergierende Angaben gibt.

Die Beklagte erteilte dem Kläger einen Hinweis gemäß § 28 Abs. 4 VVG auf seine Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheiten und die möglichen Folgen bei Obliegenheitsverletzungen. Sodann reichte der Kläger Belegkopien über die angeblich entwendeten Gegenstände ein, unter anderem zwei auf das Jahr 2009 datierte, jeweils in italienischer Sprache verfasste Belege über den Erwerb von Goldschmuck zum Preis von angeblich 2.330 EUR bzw. 1.790 EUR. An diesen Belegen wurden nach den Feststellungen des Gerichts Veränderungen vorgenommen (Einfügung zusätzlicher Gegenstände und Erhöhung der tatsächlich quittierten Beträge - 2.330 statt 330 EUR).

Die Beklagte lehnte eine Regulierung mit der Begründung ab, es sei davon auszugehen, dass kein Einbruch vorliege. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Verdachts des Betruges wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Beklagte sei wegen arglistiger Täuschung leistungsfrei. Das OLG wies die Berufung des Klägers zurück.

Rechtliche Wertung

Die Beklagte ist nach Auffassung des OLG gemäß § 30 VHB in Verbindung mit § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG wegen versuchter arglistiger Täuschung seitens des Klägers leistungsfrei. Es stehe bereits aufgrund des eigenen Vorbringens des Klägers fest, dass er versucht habe, die Beklagte arglistig zu täuschen. Es könne dahinstehen, ob er die Veränderungen auf den beiden Quittungen selbst vorgenommen habe. Er habe jedenfalls gewusst, dass sie verändert und damit verfälscht im Sinn von § 267 StGB waren, und habe dennoch diese verfälschten Urkunden gebraucht, indem er sie der Beklagten vorlegte. Er habe damit eine Urkundenfälschung begangen, weil er durch die Vorlage bei der Beklagten die Auszahlung tatsächlich nicht quittierter Beträge erreichen wollte.

Unabhängig davon, wer die Stehlgutliste geschrieben habe, sei sie jedenfalls in Anwesenheit des Klägers gefertigt und anschließend von ihm unterschrieben worden. Selbst wenn der Kläger tatsächlich die von ihm angegebenen Beträge bezahlt haben sollte, ändere dies nichts daran, dass die Quittungen verfälscht worden seien. Das Einreichen einer verfälschten Quittung erfülle den Straftatbestand des § 267 StGB und führe auch dann, wenn tatsächlich entsprechende Beträge gezahlt worden sein sollten, regelmäßig zur Leistungsfreiheit des Versicherers (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.09.1997 - 4 U 97–96, BeckRS 9998, 17200).

Ausreichend sei, dass die falsche Angabe einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolge, ohne dass dabei Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers vorausgesetzt werde. Es genüge das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung - auch berechtigter - Deckungsansprüche zu beseitigen. Arglistig handle der Versicherungsnehmer bereits dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 02.10.1985 - IVa ZR 18/84, NJW 1986, 1100). Dies sei bei der Vorlage verfälschter Quittungen ohne Zweifel der Fall.

Sähen die Versicherungsbedingungen - wie hier - für den Fall der arglistigen Täuschung des Versicherungsnehmers die vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers vor, genüge es - von Fällen unbilliger Härte abgesehen -, wenn der Versicherungsnehmer nur über eine für die Entschädigung relevante Tatsache zu täuschen versucht, und zwar auch dann, wenn die Täuschung im Ergebnis folgenlos bleibt (OLG Hamm, Urteil vom 27.07.2011 - 20 U 146/10, BeckRS 2011, 21995, Anmerkung Günther, FD-VersR 2011, 322829).

Praxishinweis

Die Entscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung. Eine arglistige Täuschung über eine Tatsache, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung ist, wird allgemein bejaht, wenn nachträglich veränderte Belege eingereicht werden (OLG Koblenz, r+s 2000, 294; KG, BeckRS 2004, 04663; OLG Köln, r+s 2001, 121; OLG Hamm, r+s 2000, 336; OLG Düsseldorf, BeckRS 9998, 23757) und zwar auch dann, wenn über einen im Vergleich zur Gesamtsumme nur relativ geringen Betrag getäuscht werden soll (OLG Karlsruhe, r+s 2000, 78).

Redaktion beck-aktuell, 19. April 2018.