OLG Dresden: Kaskoversicherung – Leistungskürzung «auf Null» bei BAK-Wert von mindestens 2,03 Promille

BGB § 812 Abs. 1 S. 1; VVG § 81 Abs. 2

Wenn der Versicherungsnehmer bei einem Pkw-Unfall eine BAK von mehr als 2 Promille hat, liegt nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden ein besonderer Ausnahmefall vor, der in der Kaskoversicherung gemäß § 81 Abs. 2 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls eine Kürzung der Versicherungsleistung «auf Null» rechtfertigt.

OLG Dresden, Beschluss vom 13.11.2017 - 4 U 1121/17, BeckRS 2017, 137872

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther
BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 2/2018 vom 25.01.2018

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Sachverhalt

Am 24.01.2012 verursachte der Beklagte als Fahrer eines PKW ein Unfallereignis mit Sachschaden. Anlässlich dieses Schadensfalles erbrachte die Klägerin, bei der der Beklagte kaskoversichert war, Versicherungsleistungen.

Im Strafverfahren wurde vom Sachverständigen festgestellt, dass beim Beklagten im Unfallzeitpunkt ein BAK-Wert von mindestens 2,03 Promille vorgelegen habe.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin nunmehr Rückerstattung der gezahlten Kaskoversicherungsleistungen wegen grob fahrlässigen Verhaltens gemäß § 81 Abs. 2 VVG.

Das Landgericht gab Klage der Klage statt.

Rechtliche Wertung

Das OLG Dresden beabsichtigt, die Berufung des Beklagten nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen. Das Landgericht habe im Ergebnis zu Recht der Klägerin einen Anspruch auf Rückerstattung zuerkannt.

Der Anspruch ergebe sich zwar nicht bereits aus einer Obliegenheitsverletzung des Beklagten (§ 28 VVG), denn die Obliegenheit, nicht unter Einfluss von Alkohol seinen Pkw zu fahren, gelte nach den AVB nur für die Kfz-Haftpflichtversicherung, nicht jedoch für die Kaskoversicherung. Die Klage sei aber aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 81 Abs. 2 VVG begründet. Der Beklagte habe unstreitig den Unfall verursacht und diesen auch grob fahrlässig herbeigeführt. Denn das Führen eines Kfz im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit sei grundsätzlich als grob fahrlässig anzusehen.

Die Aussage des Beklagten, er habe zum Unfallzeitpunkt keinen Alkohol zu sich genommen und die festgestellten Alkoholwerte würden sich vielmehr allein mit Nachtrunk erklären, sei als unglaubwürdig und durch die sonstigen Indizien und Umstände als widerlegt anzusehen. Entsprechend den Feststellungen im Strafverfahren sei ein BAK-Wert von mindestens 2,03 Promille anzunehmen. Absolute Fahruntüchtigkeit sei ab einer BAK von 1,1 Promille festzustellen.

Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit nach § 28 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 VVG, § 2 b (e), § 2 c (1) a), (2) a) AKB sei der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Dabei spiele die jeweilige Blutalkoholkonzentration eine erhebliche Rolle, da bei einem höheren BAK-Wert in der Regel auch von einem entsprechend höheren Verschulden ausgegangen werden könne. Eine Leistungskürzung des Versicherers «auf Null» sei allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen möglich. Ein solcher Fall könne bei der Herbeiführung des Versicherungsfalles im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit in Betracht kommen, da sich derartige Fälle in der Regel im Grenzgebiet zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz bewegen (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.2011 - IV ZR 225/10,  NJW 2011, 3299).

Nach Auffassung des Senats liegt ein solcher Ausnahmefall hier vor. Ein BAK-Wert von 2,03 Promille rechtfertige eine Kürzung der Leistungen auf Null. Da der Beklagte keine entlastenden Umstände hinsichtlich der groben Fahrlässigkeit jedenfalls im subjektiven Bereich vorgetragen habe, komme eine nur anteilige Kürzung nicht in Betracht.

Der Klägerin sei der Beweis, dass der Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit eingetreten ist, gelungen, so dass diese gemäß § 81 Abs. 2 VVG berechtigt sei, ihre Leistungen auf Null zu kürzen.

Praxishinweis

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH gehört das Führen eines Kraftfahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt. Dies sei grundsätzlich objektiv und subjektiv als grob fahrlässig anzusehen (s. grundlegend BGH, Urteil vom 22.02.1989 - IVa ZR 274/87, NJW 1989, 1612, 1613). Dementsprechend hat der BGH in der vorliegend vom OLG Dresden in Bezug genommenen Entscheidung – gemäß der bis dato herrschenden Auffassung in Instanzrechtsprechung und Literatur – geurteilt, dass im Rahmen von § 81 Abs. 2 VVG ausnahmsweise eine Leistungskürzung auf Null in Betracht kommt.

In der zur Sachversicherung ergangenen Rechtsprechung ist eine vollständige Leistungskürzung etwa hinsichtlich der grob fahrlässigen Herbeiführung eines Frostschadens aufgrund fehlender Frostvorsorge bejaht worden (OLG Frankfurt VersR 2013, 356; OLG Hamm r + s 2012, 39; LG Essen r+s 2016, 243). Aber auch in anderen Fällen kann die Kürzung auf Null gerechtfertigt sein, beispielsweise dann, wenn das Werfen von Feuerwerkskörpern im Innern des Hauses zu dem streitgegenständlichen Wohnungsbrand geführt hat (Langheid/Wandt/Spielmann, VVG, 2. Aufl. 2017, Sachversicherung Rn. 163).

Ausführlich hierzu Günther, Kürzungsquoten im Versicherungsrecht, Köln 2013, iBook

Redaktion beck-aktuell, 8. Februar 2018.