Hauptwasserhahn in Praxisräumen ist abends nicht vorsorglich abzusperren

Ein Versicherungsnehmer (hier: Zahnarzt) muss den Hauptwasserhahn beim abendlichen Verlassen seiner Praxisräume regelmäßig nicht abdrehen, um einem Leitungswasserschaden vorzubeugen. Dies geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Celle hervor, das nach einem Rohrbruch wegen mangelhafter Installationsarbeiten im Rahmen einer Regressklage des Versicherers ein Mitverschulden des Zahnarztes verneinte.

Hauptwasserventil in Zahnarztpraxis während urlaubsbedingter Schließung nicht abgesperrt

Ein Zahnarzt ließ im Oktober 2016 eine Desinfektionsanlage in das Frischwassersystem seiner Praxis einbauen und diese zuletzt im November 2017 warten. Im Juli 2018 schloss er seine Praxis für einen dreiwöchigen Urlaub, ohne das Hauptwasserventil abzusperren. Als Nutzer anderer Räumlichkeiten in diesem Haus am Morgen des 28.07.2018 das Treppenhaus betraten, kam ihnen schwallartig Wasser aus der im zweiten Obergeschoss gelegenen Praxis entgegen – ein Verbindungsstück zu der Desinfektionsanlage hatte sich gelöst. Die Versicherung des Zahnarztes ersetzte diesem den Schaden von mehr als 200.000 Euro, verlangte aber von dem Installationsunternehmen Ersatz, weil dieses das Verbindungsstück unsachgemäß montiert habe. Dieses Unternehmen verweigerte eine Zahlung unter anderem aus dem Grund, weil den Zahnarzt ein Mitverschulden treffe.

LG bejahte grob fahrlässiges Unterlassen

Das Landgericht Verden hielt diesen Einwand für begründet und verurteilte das Installationsunternehmen nur zum Ersatz des hälftigen Schadens, weil der Zahnarzt es grob fahrlässig unterlassen habe, das Wasser während seiner dreiwöchigen Betriebsschließung abzusperren. Jedem vernünftigen Zahnarzt müsse klar sein, dass das Wasser mindestens bei längerer Abwesenheit zur Vermeidung größerer Wasserschäden abgestellt werden müsse. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein.

OLG: Hauptwasserhahn muss jedenfalls nicht über Nacht abgesperrt werden

Die Berufung der Versicherung hatte Erfolg. Das OLG hat das Installationsunternehmen zum Ersatz des gesamten Schadens verurteilt. Nach den bereits vom LG eingeholten Gutachten stehe fest, dass das Unternehmen die Rohrverbindung fehlerhaft hergestellt hat. Ein Mitverschulden des Zahnarztes sei zu verneinen. Es könne schon nicht festgestellt werden, dass das Wasser über einen längeren Zeitraum ausgetreten und der Schaden nicht nur über Nacht entstanden sei. Dann hätte er aber genauso im normalen Betriebszeitraum entstehen können – der Umstand einer mehrwöchigen Praxisschließung hätte sich nicht ausgewirkt. Zumindest für den Nachtzeitraum hätte der Hauptwasserhahn auch nicht abgesperrt werden müssen – dies sei allgemein unüblich. Schutz- und Obliegenheitspflichten dienten der Vermeidung realistisch drohender Schäden.

Zwingender Grund für Abstellen der Wasserzufuhr war nicht gegeben

Nicht jede denkbare, mögliche und eventuell sogar sinnvolle Schutzmaßnahme führe bei ihrem Unterlassen zu einem Mitverschulden des Versicherungsnehmers, so das OLG. Eine sachgerecht montierte Rohrverbindung wäre unlösbar und dauerhaft dicht gewesen. Deshalb habe es keinen zwingenden Grund gegeben, die Wasserzufuhr abzustellen. Nach verschiedenen – über 30 Jahre alten – Urteilen anderer Oberlandesgerichte müsse ein Versicherungsnehmer zwar die Zuleitung zu Haushaltsgeräten mit einem flexiblen Anschlussschlauch – beispielsweise zu Spülmaschinen – regelmäßig absperren, weil diese Schläuche besonders schadensanfällig seien. Eine solche Schlauchverbindung sei hier aber nicht betroffen gewesen, sodass nicht habe entschieden werden müssen, ob ein solcher Grundsatz angesichts verbesserter Schutzmechanismen heute noch anzunehmen wäre.

OLG Celle, Urteil vom 07.04.2021 - 14 U 135/20

Redaktion beck-aktuell, 7. Mai 2021.