Sittenwidrige Erbeinsetzung eines Berufsbetreuers

Nutzt ein Berufsbetreuer die Hilflosigkeit des Betreuten gezielt aus, um nur kurze Zeit nach seiner Bestellung seine testamentarische Erbeinsetzung zu erwirken, für die er selbst einen Notar beauftragt und ist er auch bei der Aufnahme des Testaments anwesend, ist das Testament sittenwidrig und nichtig. Dies hat das Oberlandesgericht Celle entschieden und einen Herausgabeanspruch des Nachlasspflegers bestätigt.

Berufsbetreuerin wird zur Erbin

Im Dezember 2004 erlitt ein damals 85-jähriger Mann einen schweren Schlaganfall. Da er in der Folge nicht mehr in der Lage war, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, richtete das Amtsgericht Hannover Anfang Januar 2005 eine rechtliche Betreuung ein und bestellte, da er keine Angehörigen hatte, eine Berufsbetreuerin für ihn. Diese hatte unter anderem die Aufgabe, die Gesundheits- und Vermögensangelegenheiten des Mannes in seinem Interesse zu regeln. Anfang April 2005 zog der Mann aus dem Krankenhaus in eine Pflegeeinrichtung. Anfang Mai 2005 setzte er die Betreuerin sowie eine weitere Person, die ihm von der Betreuerin für verschiedene Dienstleistungen wie Einkäufe und Spaziergänge vermittelt worden war, zu seinen Erben sein. Dieses Testament wurde im Beisein der Betreuerin von einer Notarin aufgenommen. Der Wert des Vermögens des Mannes war dort mit 350.000 Euro angegeben. 

LG sprach Nachlasspfleger Herausgabeanspruch zu

Die Betreuerin verheimlichte diese Erbeinsetzung gegenüber dem Amtsgericht, das die Betreuung im Dezember 2005 auf der Grundlage eines fachärztlichen Gutachtens und nach eigener Anhörung des Mannes verlängerte. Der Mann starb im April 2012. Die Betreuerin und die als weiterer Erbe eingesetzte Person teilten Guthaben des Erblassers unter sich auf. Anfang 2014 bestellte das Amtsgericht einen Nachlasspfleger, der den Nachlass zugunsten der unbekannten Erben des Mannes sichern sollte. Dieser verlangte von der Betreuerin und der weiteren Person die Herausgabe der von diesen erlangten Vermögenswerte. Das Landgericht Hannover gab der Klage durch ein erstes Teilurteil im Grundsatz statt und wies die Widerklage der Beklagten ab, die die Feststellung begehrten, dass sie selbst Erben geworden seien. Dagegen legten die Beklagten Berufung ein.

OLG: Erblasser war testierunfähig

Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Dabei war es zum einen davon überzeugt, dass der Erblasser im Mai 2005 nicht testierfähig gewesen ist. Grundsätzlich könne zwar jeder Mensch ab Vollendung des 16. Lebensjahrs wirksam ein Testament errichten. Diese Fähigkeit fehle aber ausnahmsweise, wenn eine Person krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, sich ein klares Urteil darüber zu bilden, welche Tragweite und Auswirkungen ihre testamentarischen Anordnungen haben, oder wenn sie nicht frei von Einflüssen Dritter nach diesem Urteil handeln kann. Eine solche Ausnahmesituation hat das OLG hier nach umfangreicher Auseinandersetzung mit verschiedenen ärztlichen Berichten und Gutachten sowie mit weiteren Beweismitteln angenommen.

Keine Vergleichbarkeit mit Heimmitarbeitern

Weiter sei das Testament zwar nicht nach § 134 BGB nichtig gewesen. Denn für Betreuer fehle eine § 14 Abs. 5 HeimG entsprechende Regelung, nach der es Heimmitarbeitern verboten sei, neben der vereinbarten Vergütung Geschenke entgegenzunehmen, soweit diese über geringwertige Aufmerksamkeiten hinausgingen. § 14 Abs. 5 HeimG könne auf das Verhältnis zwischen Betreuer und Betreutem auch nicht analog angewendet werden.

Testament aber sittenwidrig

Das Testament sei aber sittenwidrig und damit nach § 138 BGB nichtig gewesen, so das OLG. Die Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung folge daraus, dass die Betreuerin die von Einsamkeit und Hilflosigkeit geprägte Situation des Erblassers zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt hat. Das Testament sei kurz nach der Krankenhausentlassung errichtet worden. Trotz der erheblichen Erkrankung habe die Betreuerin keinen ärztlichen Rat eingeholt, ob er überhaupt testierfähig war. Sie selbst habe die Notarin mit der Aufnahme des Testaments beauftragt und sei – ohne zwingenden Grund – bei der gesamten Testamentsaufnahme anwesend gewesen. Dabei sei ihr bewusst gewesen, dass der Erblasser dieses notarielle Testament später aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen nicht mehr durch ein eigenes handschriftliches Testament ersetzen konnte. Gegenüber dem Amtsgericht habe sie die Erbeinsetzung verschwiegen, sodass das Gericht mögliche Interessenkonflikte nicht habe prüfen können.

OLG Celle, Urteil vom 07.01.2021 - 6 U 22/20

Redaktion beck-aktuell, 9. April 2021.