OLG Celle bestätigt vorsätzlich sittenwidrige Schädigung durch Verkauf vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs

Der Hersteller eines Dieselfahrzeugs haftet dem Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB auf Schadenersatz. Dies hat das Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 20.11.2019 entschieden (Az.: 7 U 244/18). Die Entscheidung ist allerdings nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zugelassen, weil zur Frage der deliktischen Haftung in Fällen des Diesel-Abgasskandals in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.

LG: Aktive Täuschungshandlung des Herstellers nicht dargelegt

Im konkreten Fall war das gekaufte Fahrzeug unstreitig mit dem Typ eines Dieselmotors ausgestattet, der den Diesel-Abgasskandal ausgelöst hat. Der Kläger hatte das Fahrzeug etwa vier Jahre vor Aufdeckung des Abgasskandals von dem Hersteller gekauft und diesen nach Bekanntwerden der Manipulation durch eine unzulässige Abschalteinrichtung zunächst zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages aufgefordert, was der Hersteller abgelehnt hatte. Die vom Kläger daraufhin beim Landgericht erhobene Klage war unter anderem mit der Begründung abgewiesen worden, dass der Kläger keine aktive Täuschungshandlung des Herstellers dargelegt habe.

OLG sieht Täuschung über uneingeschränkte Nutzbarkeit

Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung hatte Erfolg. Nach Ansicht des zuständigen Senats des OLG – der sich bereits in einer anderen Sache zu hier einschlägigen Rechtsfragen positioniert hatte (BeckRS 2019, 14988) – haftet der Hersteller dem Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB auf Schadenersatz. Dieselfahrzeuge, in denen eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wurde, seien nach Ansicht des Bundesgerichtshofs mangelhaft (BeckRS 2019, 2206). Durch das Inverkehrbringen von aufgrund einer Softwaremanipulation mangelhaften Fahrzeugen täusche der Hersteller alle potentiellen Käufer darüber, dass diese Fahrzeuge im Straßenverkehr uneingeschränkt nutzbar seien und über eine unbeschränkte Betriebserlaubnis verfügten, was wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung tatsächlich nicht der Fall sei. Den Fahrzeughaltern drohten vielmehr der Widerruf der Typengenehmigung und eine damit einhergehende Stilllegung des Fahrzeugs. Durch die nachträgliche Installation eines Software-Updates werde der dem Käufer entstandene Schaden nicht kompensiert. Dieser bleibe vielmehr mit den Folgen des ungewollten Kaufvertragsabschlusses belastet.

Anrechnung einer Nutzungsvergütung für zurückgelegte Kilometer

Bei lebensnaher Betrachtung müsse auch davon ausgegangen werden, dass der Hersteller Schädigungsvorsatz gehabt und in Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen, gehandelt habe. Der Käufer müsse deshalb so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn er das betreffende Fahrzeug nicht erworben hätte. Er könne deshalb entweder das Fahrzeug behalten und den Minderwert sowie etwaige weitere Schadenspositionen beanspruchen oder aber – wie der Kläger im entschiedenen Fall – die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen. Im letzteren Fall müsse er sich allerdings eine Nutzungsvergütung für die mit dem Fahrzeug zurückgelegten Kilometer anrechnen lassen.

OLG Celle, Urteil vom 20.11.2019 - 7 U 244/18

Redaktion beck-aktuell, 20. November 2019.