Nach Gerichtsurteil: Keine Quarantäne mehr für Reiserückkehrer nach Nordrhein-Westfalen

Reiserückkehrer aus Risikogebieten im Ausland müssen in Nordrhein-Westfalen vorerst nicht mehr in Quarantäne. Das Gesundheitsministerium des Landes hat die Corona-Einreiseverordnung des Landes außer Kraft gesetzt. Hintergrund ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster. Ein Urlauber hatte geltend gemacht, Quarantäne nach seiner Rückkehr sei unangemessen, da die Infektionszahlen am Reiseziel niedriger seien als in seiner Heimat. Die Richter sahen dies genauso.

OVG hielt zentrale Regelungen der Verordnung für bedenklich

"Da das OVG wesentliche Bedenken gegen die zentralen Regelungen der Verordnung geäußert und sie außer Kraft gesetzt hat, ist die gesamte Verordnung ab sofort nicht mehr anzuwenden", erklärte eine Sprecherin des Ministeriums am Abend des 20.11.2020 auf Anfrage der dpa. Der Beschluss des OVG stellt nach Ansicht des Gesundheitsministeriums des Landes das bisherige System des Bundes zur Ausweisung von ausländischen Risikogebieten in Frage.

Kläger wehrte sich gegen Qualifizierung als ansteckungsverdächtig 

Der Kläger aus Bielefeld war bis zum 13.11.2020 auf Ibiza und reiste dann weiter nach Teneriffa. Am 22.11.2020 flog er zurück nach Deutschland. Weil der Wert der Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen auf den Balearen deutlich niedriger liegt als in Bielefeld, wehrte er sich gegen den Vorwurf, als ansteckungsverdächtig qualifiziert zu werden. Der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Marcel Klinge, sagte: "Das Urteil ist ein gutes Signal für Reisewirtschaft und Urlauber. Wenn von Reiserückkehrern keine große Gefahr ausgeht, müssen die Verordnungen zur Quarantäne nun angepasst werden. Hierbei sollten auch Tests für Reisende wieder eine größere Rolle spielen, um sicheres Reisen wieder zu ermöglichen. Testen statt pauschale Quarantäne muss das Ziel sein."

Differenziertere Ausweisung von Risikogebieten gefordert

Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), sagte: "Das Urteil in Nordrhein-Westfalen bestätigt, dass die pauschale Quarantänepflicht für Reisende aus Risikogebieten nicht verhältnismäßig ist." Es brauche eine differenzierte Ausweisung von Risikogebieten, die das tatsächliche Infektionsrisiko berücksichtigt – und eine wirksame Teststrategie mit Schnelltests an den Flughäfen.

OVG: Quarantäne derzeit zu Virus-Eindämmung nicht geeignet

Nach Ansicht des OVG hat das Land nicht berücksichtigt, dass Reisende bei der Rückkehr aus Ländern mit geringeren Infektionszahlen als an ihrem Wohnort nach der Heimkehr einem höherem Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Somit sei die Quarantäne aktuell kein geeignetes Mittel zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Deutschland, teilte das Gericht am 20.11.2020 mit (Az.: 13 B 1770/20.NE). Der Beschluss ist nicht anfechtbar. Die gekippte Regelung schreibt vor, dass Rückkehrer aus ausländischen Risikogebieten sich nach der Einreise nach Nordrhein-Westfalen in häusliche Quarantäne begeben müssen (Absonderung) und zehn Tage lang keinen Besuch aus anderen Haushalten empfangen dürfen.

Regierung will auf Neuregelung verzichten

Voraussichtlich werde es auch keine Quarantäne-Neuregelung für Reiserückkehrer aus dem Ausland geben, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am 23.11.2020 in Düsseldorf. Nach dem OVG-Urteil müsste sehr differenziert auf regionale Infektionskennziffern sowohl in der Urlaubsregion als auch in der Heimatregion der Reisenden geschaut werden. "Wer soll das kontrollieren?", verdeutlichte Laumann. Das Thema dürfte sich mit diesem enormen Aufwand erledigt haben.

Redaktion beck-aktuell, 23. November 2020 (dpa).