LVerfG Brandenburg: Landesregierung durfte Abgeordnetem zunächst Einsicht in Unterlagen der Mindestlohnkommission verweigern

Brandenburgs Landesregierung durfte dem Landtagsabgeordneten Dierk Homeyer vor der Befassung des Kabinetts mit den Änderungen zum Brandenburgischen Vergabegesetz im Mai 2016 die Einsicht in Unterlagen zur sogenannten Mindestlohnkommission verweigern, ohne gegen die Landesverfassung zu verstoßen. Dies geht aus einem Urteil hervor, das das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 21.07.2017 verkündet hat. Die Ablehnung eines nach der Behandlung im Kabinett gestellten neuen Antrags auf Einsicht in die Unterlagen verstieß nach Ansicht der Richter hingegen gegen Art. 56 Abs. 3 Satz 2 der Landesverfassung (Az.: VfGBbg 21/16).

Einsicht wegen noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsprozesses verweigert

Das Mitglied des Landtages Dierk Homeyer hatte gegenüber der Landesregierung Einsicht in sämtliche Unterlagen betreffend die sogenannte Mindestlohnkommission beantragt. Die Ergebnisse der Kommission waren ausschließlich in einer an die Hausspitze des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und Familie gerichteten Leitungsvorlage enthalten. Die Landesregierung hatte den Antrag mit Hinweis auf den noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsprozess innerhalb der Landesregierung abgelehnt. Der Gesetzentwurf zur Anpassung des Vergabemindestlohnes war zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Kabinett behandelt worden.

Begehrte Informationen zählen zu Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung

Das LVerfG Brandenburg hat entschieden, dass die Einsichtsverweigerung nicht gegen die Landesverfassung verstieß. Die in der Leitungsvorlage enthaltenen Informationen über das Zustandekommen des Vorschlags der Mindestlohnkommission gehörten zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einem Einsichtsbegehren von Abgeordneten nicht zugänglich sei. Weil des Votum der Mindestlohnkommission zwingend vor der Befassung der Landesregierung erfolge und von dieser zu berücksichtigen sei, wenn sie über die Höhe des neu festzulegenden Mindestlohns berate, sei es Teil des Meinungsbildungsprozesses der Landesregierung und falle deshalb unter den Schutz des Kernbereichs der Exekutive. Nur so sei eine ergebnisoffene Tätigkeit dieses Gremiums gewährleistet.

Abwägung hinsichtlich Einsichtsrechts nach Kabinettsbeschluss war unzureichend

Nachdem der Gesetzentwurf das Kabinett passiert hatte, stellte der Abgeordnete einen neuen Antrag. Die Landesregierung stellte ihm daraufhin lediglich eine in den entscheidenden Passagen geschwärzte Fassung der Leitungsvorlage zur Verfügung und begründete dies. Hierzu hat das LVerfG entschieden, dass grundsätzlich auch nach Abschluss des Willensbildungsprozesses eine Geheimhaltung in Betracht kommt. Die von der Landesregierung im Einzelfall mit der Ablehnung vorgenommene Abwägung habe aber nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt und damit gegen das Recht des Abgeordneten auf Akteneinsicht aus Art. 56 Abs. 3 Satz 2 Landesverfassung verstoßen.

Sondervotum eines Richters: Einsichtnahme hätte gar nicht verweigert werden dürfen

Verfassungsrichter Ulrich Becker hat in einem Sondervotum ausgeführt, dass auch bereits vor dem Kabinettbeschluss vom 24.05.2016 die Einsichtnahme nicht hätte verweigert werden dürfen. Die Mindestlohnkommission sei kein der Landesregierung zuzuordnendes Gremium. Der Vorschlag der Kommission lasse sich von der Meinungsbildung der Landesregierung trennen. Daran ändere auch nichts, dass das Kommissionsvotum Teil einer Leitungsvorlage eines Ministeriums sei.

VerfG Bbg, Urteil vom 21.07.2017 - 21/16

Redaktion beck-aktuell, 24. Juli 2017.