LSG Niedersachsen-Bremen: Private Trunkenheitsfahrt eines Berufskraftfahrers kein sozialwidriges Verhalten im Sinne des SGB II

Die Privatfahrt eines Berufskraftfahrers unter Alkoholeinfluss mit der Folge des Verlusts von Fahrerlaubnis und Arbeitsplatz hat keinen spezifischen Bezug zur Herbeiführung einer Hilfebedürftigkeit und löst deshalb keinen Kostenersatzanspruch des Jobcenters wegen sozialwidrigen Verhaltens aus. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 05.07.2018 entschieden (Az.: L 6 AS 80/17, BeckRS 2018, 17491).

Kraftfahrer wurde wegen Entzugs der Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrt arbeitslos 

Der Kläger war als Kraftfahrer bei einer Spedition beschäftigt. An einem Samstag feierte er die Geburt seines ersten Enkelkindes und trank dabei Alkohol. Er fuhr dann mit seinem Pkw zu einer Tankstelle, um neue Zigaretten zu besorgen. Dabei wurde er von einer Polizeistreife angehalten. Die Polizei stellte einen Blutalkoholgehalt von mehr als 2,3 Promille fest. Der Kläger wurde mit wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr mit Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Kläger vor Ablauf von noch neun Monaten keine neue zu erteilen.

Jobcenter forderte Hartz IV-Leistungen wegen sozialwidriger Herbeiführung des Hilfebezugs zurück

Wegen des Entzugs der Fahrerlaubnis kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Im Anschluss bezog der Kläger aufstockende Grundsicherungsleistungen. Das Jobcenter machte gegen den Kläger einen Ersatzanspruch in Höhe von rund 2.600 Euro geltend, weil der Kläger die Hilfebedürftigkeit sozialwidrig herbeigeführt habe. Durch eine besonders schwere Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflichten habe er seinen Arbeitsplatz und damit das existenzsichernde Einkommen verloren. Die dagegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht ab. Der Kläger legte Berufung ein.

LSG: Kein spezifischer Bezug zur Herbeiführung einer Hilfebedürftigkeit gegeben

Das LSG hat der Berufung stattgegeben. Bei der Fahrt eines Berufskraftfahrers unter Alkoholeinfluss in der Freizeit bestehe grundsätzlich kein spezifischer Bezug zur Herbeiführung einer Hilfebedürftigkeit, wie er insbesondere bei der Verschwendung von Vermögen in Betracht komme. Deshalb stelle das Verhalten des Klägers zwar eine rechtlich zu missbilligende Tat dar. Es sei aber nicht als sozialwidrig einzustufen, sodass der Kläger die "Hartz IV"- Leistungen nicht zu erstatten habe. Das Gericht schließe sich dabei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, die eine Sozialwidrigkeit selbst bei Straftaten verneine, die absehbar zu einer Inhaftierung und damit zum Wegfall von Erwerbsmöglichkeiten führten.

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 05.07.2018 - L 6 AS 80/17

Redaktion beck-aktuell, 13. August 2018.