LSG Niedersachsen-Bremen: Krankenkasse kann bei Streit über Zuständigkeit vorerst für Schulwegbegleitung zahlen müssen

Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen der Krankenkasse und dem Sozialhilfeträger in Bezug auf die Übernahme von Kosten für die Schulwegbegleitung eines schwerbehinderten Schülers dürfen nicht zulasten des Schülers gehen. Dies kann dazu führen, dass die Krankenkasse die Kosten übernehmen muss, auch wenn eigentlich der Träger der Sozialhilfe dafür zuständig wäre, wie ein vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Eilverfahren entschiedener Fall zeigt (Beschluss vom 13.03.2017, Az.: L 4 KR 65/17 B ER, rechtskräftig, BeckRS 2017, 108254).

Sozialhilfeträger und Krankenkasse hielten jeweils anderen für zuständig

Ein 1998 geborener Schüler leidet an einer schweren Mehrfachbehinderung mit Epilepsie. Für ihn sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, H, RF und aG anerkannt. Für seinen Weg zur Schule besteht das Erfordernis einer ständigen Begleitung. Der als Träger der Sozialhilfe (hier: Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) zuständige Landkreis Wittmund hatte einen Antrag des Schülers auf Bewilligung einer Schulwegbegleitung mit der Begründung abgelehnt, er sei hierfür nicht zuständig. Zuständig sei vielmehr die Krankenkasse des Schülers, weil dieser – auch während der Fahrten zur Schule – unter regelmäßig auftretenden schweren epileptischen Anfällen leide und deshalb eine Schulwegbegleitung aus medizinischen Gründen notwendig sei. Der Landkreis leitete den Antrag sodann nach § 14 SGB IX an die Krankenkasse des Schülers weiter. Die Krankenkasse lehnte den Antrag jedoch ebenfalls mit der Begründung ab, sie sei nicht zuständig, weil es sich bei der Schulwegbegleitung nicht um eine medizinische Hilfeleistung, sondern um eine Beaufsichtigung zur Sicherung der Teilhabe des Schülers an Erziehung und Bildung und damit um eine Sozialhilfeleistung zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft handele.

Krankenkasse muss als zweitangegangener Träger Kosten übernehmen

Das LSG hat die Krankenkasse zur Kostenübernahme für die Schulwegbegleitung verpflichtet. Zwar handele es sich im vorliegenden Fall um eine Angelegenheit der Sozialhilfe, für die eigentlich der Sozialhilfeträger zuständig wäre. § 14 SGB IX habe aber einen Schutzcharakter, der eine Zuständigkeit des zweitangegangenen Trägers (hier: der Krankenkasse) gegenüber dem behinderten Menschen selbst dann begründe, wenn die gewünschten Leistungen nicht zu seinem Zuständigkeitsbereich gehören. Der vom Gesetzgeber gewollte Einigungsdruck zwischen den Trägern von Sozialleistungen führe hier dazu, dass die Krankenkasse Sozialhilfeleistungen zugunsten des schwerbehinderten Schülers erbringen müsse. Eine Schulwegbegleitung folge aus dessen Anspruch auf eine allgemeine Schulbildung.

LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13.03.2017 - L 4 KR 65/17 B ER

Redaktion beck-aktuell, 9. Mai 2017.