LSG Niedersachsen-Bremen: Jobcenter muss Kosten für Schulbücher als Mehrbedarfsleistungen übernehmen

Wie das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen erstmals obergerichtlich entschieden hat, muss das Jobcenter die Kosten für Schulbücher als Mehrbedarfsleistungen übernehmen. Die Richter sahen diese Kosten nicht ausreichend abgedeckt (Urteil vom 11.12.2017, Az.: L 11 AS 349/17).

Erstattung der Kosten für Schulbücher und Taschenrechner begehrt

Geklagt hat eine Schülerin der gymnasialen Oberstufe, die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bezog ("Hartz IV"). Der Schülerin waren Kosten für die Anschaffung von Schulbüchern in Höhe von 135,65 Euro – die von der Schule nicht im Rahmen der Lernmittelfreiheit leihweise zur Verfügung gestellten werden – und eines grafikfähigen Taschenrechners in Höhe von 76,94 Euro entstanden. Diese Kosten begehrte sie vom Jobcenter als Zusatzleistungen zum Regelbedarf.

Jobcenter verwies auf Pauschale

Das Jobcenter bewilligte mit dem sogenannten Schulbedarfspaket insgesamt 100 Euro pro Schuljahr. Zur Begründung hieß es, dass die Norm des § 28 Abs. 3 SGB II als Pauschale ausgestaltet sei. Für eine konkrete Bedarfsermittlung fehle eine Rechtsgrundlage.

LSG: Notwendige Schulbuchkosten nicht gedeckt

Das LSG hat die Schulbuchkosten als Mehrbedarfsleistungen in analoger Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II anerkannt. Bücher würden nach der Gesetzesbegründung nicht von der Schulbedarfspauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II umfasst, sondern müssten grundsätzlich aus dem Regelbedarf bestritten werden. Da dieser jedoch nur Kosten für Bücher jeglicher Art von circa 3 Euro pro Monat vorsehe, seien hierdurch nur weniger als ein Drittel der notwendigen Schulbuchkosten gedeckt.

Planwidrige Regelungslücke über verfassungskonforme Auslegung geltenden Rechts zu schließen

Hierfür seien auch ansonsten im SGB II keine auskömmlichen Leistungen vorgesehen. Dies stelle eine planwidrige Regelungslücke dar, weil der Gesetzgeber das gesamte menschenwürdige Existenzminimum einschließlich der Kosten des Schulbesuchs sicherstellen müsse. Diese Lücke sei für Einmalbedarfe wie Schulbücher über eine verfassungskonforme Auslegung des § 21 Abs. 6 SGB II zu schließen, auch wenn diese Norm ihrem Wortlaut nach nur laufende Bedarfe betrifft.

Kosten für Taschenrechner von Schulbedarfspauschale abgedeckt

Demgegenüber seien die Kosten für grafikfähige Taschenrechner von der Schulbedarfspauschale abgedeckt, betont das LSG. Eine evidente Unterdeckung ergebe sich selbst nicht bei einer einmaligen Bedarfsspitze. Ein solcher Taschenrechner müsse nämlich nicht für jedes Schuljahr erneut angeschafft werden, sodass die Pauschalen insgesamt auskömmlich seien.

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.12.2017 - L 11 AS 349/17

Redaktion beck-aktuell, 15. Januar 2018.