LSG Hessen: Hohe Sachkosten eines Vertragsarztes bei Beiträgen zu Altersversorgung zu berücksichtigen

Die zum Juli 2012 erfolgte Neuregelung der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen ist verfassungswidrig, soweit Sachkosten, die bei bestimmten Arztgruppen einen maßgeblichen Anteil des Honorars ausmachten, nicht beitragsmindernd berücksichtigt werden. Dies hat das Landessozialgericht Hessen mit Urteil vom 25.04.2018 klargestellt. Die KV Hessen verfügt als einzige KV in Deutschland mit der EHV über eine eigene Altersversorgung für die niedergelassenen Vertragsärzte. Die Revision wurde zugelassen (Az.: L 4 KA 2/15).

Ärztin wendet sich gegen Festsetzung

Eine niedergelassene Fachärztin für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie erbringt im Rahmen ihre vertragsärztliche Tätigkeit insbesondere ambulante Dialysebehandlungen. Die KV Hessen stufte sie für den Zeitraum ab 01.07.2013 in die höchste Beitragsklasse ein und setzte den Beitrag je Quartal auf rund 5.800 Euro fest. Dabei ging die KV Hessen von einem jährlichen Gesamthonorar in Höhe von rund 900.000 Euro aus. Die Ärztin aus dem Landkreis Kassel brachte hiergegen vor, dass etwa 90% ihres Honorars aus nichtärztlichen Dialyseleistungen stammten. Um diese Sachkosten müsste ihr Honorar im Rahmen der Beitragsbemessung bereinigt werden. Ihr Quartalsbeitrag läge dann bei lediglich 1.254 Euro.

Äquivalenzprinzip zu beachten

Die Richter beider Instanzen haben die Beitragsbemessung als rechtswidrig beurteilt. Die KV Hessen müsse über die Eingruppierung der Ärztin und die Beitragsfestsetzung unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung neu entscheiden. Bei der EHV handele es sich um eine solidarische Pflichtversicherung. Der Satzungsgeber habe daher das beitragsrechtliche Äquivalenzprinzip und den solidarischen Charakter der Alterssicherung gegeneinander abzuwägen und in Ausgleich zu bringen.

Beitragsbemessung nur nach Umsatz verfassungswidrig

Die ab Juli 2012 geltende EHV sei – so die Richter des LSG – verfassungswidrig, als hiernach in erheblichem Ausmaße Sachkosten nicht mehr abgezogen würden und damit in unangemessener Weise das weitgehend ungekürzte Honorar der Beitragsbemessung zu Grunde gelegt werde. Der Beitrag müsse zwar nicht an den Gewinn, sondern könne durchaus an die Höhe des Honorars – und damit an den Umsatz – angeknüpft werden. Wenn allerdings vertragsärztliche Umsätze verschiedener Arztgruppen nicht mehr tendenziell Überschüsse in ähnlicher Größenordnung erwarten lassen, müsse dies bei Beitragsbelastungen, die allein an Umsätzen ausgerichtet seien, berücksichtigt werden.

Hohe Sachkosten zu berücksichtigen

Eine rechtswidrige Ungleichbehandlung liege deshalb vor, wenn Arztgruppen mit überdurchschnittlich hohen Sachkostenanteilen in der Vergütung im Verhältnis zum Gewinnanteil höhere Beiträge zahlen beziehungsweise denselben Beitrag aus einem niedrigeren Gewinn erwirtschaften müssten. Dies sei der Fall, wenn hohe Sachkosten – wie für nichtärztliche Dialyseleistungen – bei der Beitragsbemessung nicht entsprechend berücksichtigt würden. Die Grundsätze der EHV sind mit Wirkung zum 01.01.2017 geändert worden.

LSG Hessen, Urteil vom 25.04.2018 - L 4 KA 2/15

Redaktion beck-aktuell, 11. Mai 2018.