Rabattabschlag für Arzneimittel vorerst bestätigt

Ein pharmazeutisches Unternehmens ist mit seinem Antrag gegen einen Rabattabschlag für ein von ihm vertriebenes Arzneimittel gescheitert. Das Bayerische Landessozialgericht hat die begehrte vorläufige Aussetzung der Rabattpflicht abgelehnt. Das neu zugelassene Medikament wird seit Oktober 2017 zu einem Preis abgegeben, der ein Vielfaches über dem eines bis September 2017 vertriebenen wirkstoffgleichen Medikaments liegt.

Streit um Mittel zur Behandlung chronischer Harnblasenerkrankung

Die Antragstellerin vertreibt ein Fertigarzneimittel als Lizenzinhaberin des Arzneimittelherstellers, der seit 02.06.2017 die europaweite Zulassung für dieses Arzneimittel zur Behandlung einer Unterform der seltenen interstitiellen Cystitis, einer nichtinfektiösen chronischen Harnblasenerkrankung, erhalten hat.

Preis des neu zugelassenen Arzneimittels deutlich höher

Ein wirkstoffgleiches und in Deutschland zur Behandlung für einen anderen Anwendungsbereich zugelassenes Arzneimittel war seit 1963 vom Hersteller bis September 2017 vertrieben worden. Das neu zugelassene Arzneimittel wird seit Oktober 2017 vertrieben und zu einem Preis abgegeben, der ein Vielfaches über dem des bis September 2017 vertriebenen Medikaments liegt. Ein anderes orales Arzneimittel zur Behandlung der interstitiellen Cystitis, sofern Glomerulationen oder Hunner-Läsionen vorliegen, ist seit 2017 in Europa arzneimittelrechtlich nicht zugelassen.

Abschlagspflicht bei Neueinführung

Der Antragsgegner, der GKV-Spitzenverband, hat die Antragstellerin im Oktober 2019 darauf hingewiesen, dass nach den Regelungen des § 130a Abs. 3a SGB V eine Abschlagspflicht bei der Neueinführung eines Arzneimittels bestehe, für das der pharmazeutische Unternehmer in der Vergangenheit bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht habe. Der Vergleichspreis ergebe sich aus den Abgabepreisen für das bis September 2017 vertriebene Medikament. Die Abschläge würden alsbald – so der Antragsgegner – in den offiziellen Verzeichnislisten ausgewiesen werden.

Vertrieb aufgrund angesetzten Rabatts nicht wirtschaftlich?

Dagegen hat sich die Antragstellerin im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtsschutzes gewandt. Sie trägt vor, ein Vertrieb zu einem Preis mit dem angesetzten Rabatt sei für sie nicht wirtschaftlich; der Einkaufspreis beim Hersteller liege über dem mit Rabatt versehenen Abgabepreis. Sie habe keine Möglichkeit für einen günstigeren Einkauf. Bleibe die Rabattpflicht bestehen, sei sie gezwungen, das Arzneimittel vom Markt zu nehmen. Der zum Verfahren beigeladene Hersteller hat seinen Verkaufspreis an die Antragstellerin unter anderem mit den Kosten der Entwicklung, Herstellung und europaweiten Zulassung begründet. Trotz Nachfrage des Gerichts haben die Antragstellerin und der Hersteller unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse die erbetenen konkreten Angaben zur Preiskalkulation des Arzneimittels nicht gemacht.

Sehr vage Angaben der Geschäftsführer nicht ausreichend

Das Bayerische LSG hat es abgelehnt, die Rabattpflicht vorläufig auszusetzen und es der Antragstellerin zu ermöglichen, das Arzneimittel ohne Rabatt zu vertreiben. Die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Unter anderem wies das LSG darauf hin, dass die Antragstellerin und ebenso der beigeladene Arzneimittelhersteller trotz entsprechender Nachfragen des Gerichts die für eine Entscheidung des Gerichts erforderlichen konkreten Angaben zur Preiskalkulation unter Berufung auf die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht gemacht haben. Die vergleichsweise vagen Angaben der Geschäftsführer der beiden beteiligten Firmen seien nicht ausreichend gewesen, zumal die Angaben für das Gericht auch nicht durchwegs schlüssig gewesen seien.

Ausnahme von Rabattpflicht möglich

Zudem wies das LSG darauf hin, dass für eine Situation wie hier, in der mit wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Rabattpflicht in Frage gestellt werde, die Möglichkeit bestehe, beim Bundesgesundheitsministerium einen Antrag auf Ausnahme von der Rabattpflicht zu stellen. Bei dem dort zeitnah durchzuführenden Verfahren müsse das Ministerium sicherstellen, dass die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewahrt werden, mit deren Verletzung die Antragstellerin und der Hersteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem LSG die Verweigerung näherer Angaben begründet haben. Sofern sich die Antragstellerin zur Begründung ihres Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz auf das Gesundheitsinteresse der mit dem streitigen Arzneimittel behandelten Patienten beruft, lägen die Versorgung und damit die Verantwortung hier primär in ihrer Hand und der des Herstellers; die Antragstellerin könne ihrer Verantwortung für die Patienten, wenn sie nicht den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten wolle, beispielsweise durch den aufgezeigten Weg eines Antrags beim Bundesministerium für Gesundheit nachkommen.

LSG Bayern, Beschluss vom 01.12.2020 - L 20 KR 251/20 B ER

Redaktion beck-aktuell, 2. Dezember 2020.