Keine Opferentschädigung nach ignorierter Reisewarnung

Weil sie sich über eine Reisewarnung hinwegsetzte, hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg die Klage einer 37-Jährigen auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz in der Folge eines Terroranschlags abgewiesen. Die Frau aus dem Raum Göppingen war am Silvesterabend 2016 in einem Nachtclub in Istanbul Opfer eines Anschlags der Terrorgruppe Islamischer Staat geworden.

Frau brachte sich durch Reise selbst in Gefahr

Bei dem Anschlag starben 37 Menschen, die Klägerin erlitt damals Verletzungen an den Knien und Unterschenkeln und eine posttraumatische Belastungsstörung. Aus Bundesmitteln für Opfer terroristischer Straftaten hatte die Frau zunächst pauschal 5.000 Euro erhalten. Beim Land Baden-Württemberg stellte sie zudem im November 2017 einen Antrag auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Diesen lehnte das Land mit der Begründung ab, sie habe sich über damals geltende Reisewarnung des Auswärtigen Amtes hinweggesetzt und so selbst in Gefahr gebracht. Die Klägerin wies dies als "absurden und rechtlich unhaltbaren Gedanken" zurück, da sich Menschen an Silvester nicht zu Hause einschlössen.

Unklare Lage in der Türkei nach Putschversuch 2016

Das LSG bestätigte in seinem Urteil die Ablehnung der Leistungen. Nach dem Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016 sei für das ganze Land vor einer grundsätzlichen terroristischen Gefährdung gewarnt worden. Besonders in großen Metropolen hätten Menschenansammlungen und bei Ausländern beliebte Orte gemieden werden sollen. Da sich die Klägerin darüber hinweggesetzt habe, müsse sie die Konsequenzen "im Sinne einer Eigenverantwortung" tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.03.2021 - L 6 VG 2770/20

Redaktion beck-aktuell, 5. März 2021 (dpa).