LG Rostock: Amtsrichter vom Vorwurf der Rechtsbeugung durch Nichtbearbeitung von Verfahren freigesprochen

Das Landgericht Rostock hat einen früheren Richter am Amtsgericht Güstrow vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen. Das Gericht sah es am 14.11.2019 nicht als erwiesen an, dass der angeklagte Jurist absichtlich zwischen 2013 und 2015 insgesamt 816 Ordnungswidrigkeitsverfahren so lange nicht bearbeitete, bis er sie wegen Verjährung einstellen konnte.

Ermittler: Richter arbeitete an zwei Tagen in der Woche nicht

Der 58 Jahre alte Angeklagte, der 2018 krankheitsbedingt pensioniert wurde, hatte ausgesagt, er habe das von ihm erwartete Pensum nicht schaffen können. Sein Verteidiger hatte einen Freispruch beantragt. Die Staatsanwaltschaft sah am Ende des Prozesses die Vorwürfe als bestätigt an und hatte 18 Monate Gefängnis auf Bewährung beantragt. Sie hatte dem Amtsrichter vorgeworfen, er habe sich Arbeit ersparen wollen. Nach Erkenntnissen der Ermittler blieb der Richter regelmäßig an zwei Tagen in der Woche dem Gericht fern und arbeitete auch zuhause nicht, um mehr Freizeit zu haben.

Gericht: Tatbestand der Rechtsbeugung nur objektiv erfüllt

Der angeklagte Jurist sei wegen seiner beschränkten individuellen Fähigkeiten und wegen einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen, das von ihm verlangte Pensum an Fällen abzuarbeiten, urteilten dagegen die Richter. Objektiv habe der Angeklagte zwar den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt. Er sortierte den Angaben zufolge regelmäßig ohne eine detaillierte Prüfung der Akten Verfahren kurz vor der Verjährung aus, weil er der Meinung war, keine Kapazitäten dafür zu haben. Kurz nach der Verjährungsfrist sechs Monate nach Eingang beim Gericht stellte er die Verfahren ein.

Richter war 2008 psychisch erkrankt

Es gebe keine Belege, dass der Angeklagte nicht bereit war zu arbeiten, befanden die Richter. Subjektiv aber sei der Angeklagte nicht in der Lage gewesen, das Pensum zu schaffen. Einerseits sei am AG Güstrow bekannt gewesen, dass der Jurist nur eingeschränkt in der Lage war, wie andere Richter ein gewisses Pensum abzuarbeiten. Andererseits sei der Amtsrichter 2008 psychisch erkrankt, wovon er sich nie wieder erholt habe. Das sei amtsärztlich bestätigt worden.

Überlastung immer wieder angezeigt

Die Richter der Strafkammer wiesen in ihrer Urteilsbegründung darauf hin, dass dem Dienstherrn des Amtsrichters die Situation bewusst war. Der angeklagte Amtsrichter hatte in zahlreichen Schreiben an das vorgesetzte LG Rostock wie auch an das Justizministerium in Schwerin seine Überlastung immer wieder angezeigt. Auch der Gesundheitszustand sei den Vorgesetzten bewusst gewesen. Dem Dienstherrn hätte es oblegen, Abhilfe zu schaffen, erklärten die Rostocker Richter.

LG Rostock, Urteil vom 14.11.2019

Redaktion beck-aktuell, Jakob Spalteholz, 15. November 2019 (dpa).