Gertrudenberger Höhlen: Ansprüche gegen Bundesrepublik verjährt

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, möglicherweise von den Gertrudenberger Höhlen ausgehende Gefahren zu beseitigen. Dies hat das Landgericht Osnabrück entschieden und eine Klage der Stadt Osnabrück abgewiesen. Eventuelle Ansprüche gegen die Bundesrepublik seien bereits lange verjährt.

Gertrudenberger Höhlensystem verläuft unter städtischem Grundstück

Die Stadt Osnabrück ist Eigentümerin eines Grundstücks im Bereich des Gertrudenberges, eines Hügels am Rande der Osnabrücker Innenstadt. Unter dem Hügel, auch dem Grundstück der Stadt, befindet sich ein im Mittelalter durch Kalksteinabbau entstandenes und später unter anderem als Bierkeller genutztes Höhlensystem. Dieses diente im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker, der bis zu 4.000 Menschen Schutz bot. Nach dem Krieg wurden die Höhlen zunächst verschlossen. Spätestens ab den 1960er Jahren wurden sie durch die Bundesrepublik erneut geöffnet und Sicherungsmaßnahmen durchgeführt, auch mit Blick auf eine mögliche erneute Nutzung als Schutzraum im Notfall.

Stadt fordert Beseitigung von Gefahren durch Höhlensystem

Die Stadt Osnabrück forderte von der Bundesrepublik Deutschland, alle gegenwärtigen oder künftigen Gefahren zu beseitigen, die von dem Höhlensystem für ihr Grundstück ausgehen können. Jedenfalls aber solle die Bundesrepublik die Luftschutzeinbauten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und Reste eines Baustoffgemischs, das nach dem Vortrag der Stadt in den 1970er/1980er Jahren zur Stabilisierung eingebracht worden war, entfernen. Die Stadt trug zur Begründung vor, dass von den Höhlen Gefahren ausgingen, sowohl bei deren Betreten, etwa durch Steinschlag, als auch möglicherweise – wenn auch nicht aktuell – durch Deckeneinbrüche zur Oberfläche.

Stadt: Stabilität der Höhlen beeinträchtigt und Gefahr für Grundwasser

Die Einbauten durch das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg, so die Stadt, hätten die von den Höhlen ausgehenden Risiken verschärft, unter anderem weil dadurch die ursprüngliche Statik der Höhle gestört worden sei. Bei Einbringen der Baustoffmischung in den 1970er/1980er Jahren durch die Bundesrepublik seien zahlreiche Löcher in die Höhlendecken gebohrt worden. Auch dies habe die Stabilität beeinträchtigt. Die Mischung bestehe zudem teilweise aus giftiger Asche. Sie enthalte unter anderem Arsen, welches auch das Grundwasser gefährde.

Bundesrepublik beruft sich auf Verjährung

Die Bundesrepublik lehnte es dagegen ab, die von der Stadt begehrten Verpflichtungen zu übernehmen. In weiten Teilen sei das Vorbringen der Stadt letztlich spekulativ. Aktuell gingen von den Höhlen jedenfalls keine Gefahren aus, solange man sie für Besucher geschlossen halte. Auch die eingebrachte Baustoffmischung sei ungefährlich. Die Stadt habe außerdem selbst seit Jahrzehnten an der Verwaltung der Höhle mitgewirkt. Dem Einfüllen der Baustoffmischung habe sie nicht widersprochen, obwohl sie darüber vorab informiert worden sei. Weiter beruft sich der Bund auf die Verjährung eventueller Ansprüche der Stadt.

LG: Eventuelle Ansprüche wegen Luftschutzeinbauten verjährt

Das LG hat die Klage abgewiesen. Eventuelle Ansprüche gegen die Bundesrepublik wegen der Einbauten des Deutschen Reichs nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz seien durch Zeitablauf erloschen. Die gesetzliche Ausschlussfrist von einem Jahr für solche Ansprüche habe zu laufen begonnen, als die Höhleneingänge nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst verschlossen worden seien, mutmaßlich durch die britische Armee. Die Frist sei damit seit mehr als 70 Jahren abgelaufen. Die erneute Öffnung in den 1960er Jahren spiele keine Rolle. Gleiches gelte für die Tatsache, dass die Bundesrepublik spätestens ab den 1970er Jahren die Höhlen regelmäßig kontrolliert und offenkundig als potentiellen Luftschutzraum angesehen habe. All dies ändere, so die Kammer, nichts an der zwischenzeitlichen faktischen Entwidmung der Anlage als Bunker durch Verschließen der Eingänge.

Keine Verpflichtung aus Treu und Glauben

Auch der Grundsatz von Treu und Glauben verpflichte die Bundesrepublik nicht, für eventuelle Gefahren durch frühere Einbauten des Deutschen Reichs einzustehen. Dass die Bundesrepublik – letztlich überobligatorisch – für mehrere Jahrzehnte die Höhlen gesichert und überwacht habe, habe die Stadt nicht so verstehen dürfen, dass die Bundesrepublik sich auf alle Zeiten zur Beseitigung aller potentiellen Gefahren verpflichten wollte. Neue, die Stabilität beeinflussende Einbauten habe die Bundesrepublik nicht vorgenommen.

Eventuelle Ansprüche wegen Baustoffgemischs ebenfalls verjährt

Auch bezüglich des Baustoffgemischs seien alle eventuellen Ansprüche der Stadt verjährt. Aus den im Verfahren vorgelegten Verwaltungsunterlagen ergebe sich, dass das Gemisch bereits 1974 eingefüllt worden sein müsse. Das sei offenkundig mit Wissen der Stadt erfolgt und habe dem Zweck der Stabilisierung gedient, nicht einer erneuten Herrichtung als Schutzraum, wie die Stadt vorgetragen habe. Die Ansprüche seien deshalb spätestens 2004 verjährt. Selbst wenn man aber mit den Argumenten der Stadt annehmen wollte, die Verfüllung sei ohne ihr Wissen und mit dem Ziel erfolgt, die Höhlen erneut als Zivilschutzraum herzurichten, ändere dies im Ergebnis nichts, so das LG. Auch dann wären alle Ansprüche zumindest seit fast zehn Jahren verjährt.

Gefährlichkeit des Baustoffgemischs war bei Einfüllung nicht bekannt

Erneut gebe es dabei keinen Anlass, der Bundesrepublik die Berufung auf den Einwand der Verjährung zu verwehren. Dass das Baustoffgemisch gefährliche Stoffe enthalten könnte, sei erst 2013 erstmals diskutiert worden und habe sich erst im Jahr 2020 konkretisiert. Es gebe keinen Hinweis, dass dies der Bundesrepublik bei der Einfüllung 1974 bekannt war. Dass sie durch diese und andere Maßnahmen die Höhlen Jahrzehntelang überobligatorisch instandgehalten habe, könne ohnehin der Bundesrepublik nun nicht zum Nachteil gereichen.

LG Osnabrück, Urteil vom 25.01.2021 - 4 O 79/19

Redaktion beck-aktuell, 27. Januar 2021.