LG Fulda: Widerrufsrecht bei Vereinbarung mit Tarifoptimierungs-Rechercheur

BGB a. F. §§ 312d I 1, 312b III Nr. 3, 355 I 1

Eine Dienstleistungsvereinbarung über die Recherche nach günstigeren Krankenversicherungstarifen unterliegt dem Widerrufsrecht nach §§ 312d Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F., da es sich insofern nicht um eine Versicherungsvermittlung handelt. Dies hat das Landgericht Fulda entschieden.

LG Fulda, Urteil vom 09.12.2016 - 1 S 70/16 (AG Fulda), BeckRS 2016, 114438

Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 4/2017 vom 23.02.2017

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Sachverhalt

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Vergütung für die Recherche von Einsparmöglichkeiten im Bereich der privaten Krankenversicherung in Anspruch. Der Beklagte hatte 2013 eine «Dienstleistungsvereinbarung» unterzeichnet. Darin ist vereinbart, dass bei Inanspruchnahme einer von der Klägerin recherchierten Einsparmöglichkeit binnen der nächsten 24 Monate von der Klägerin die 9-malige monatliche Einsparung zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt wird. Anschließend heißt es: «Nutzen Sie unsere angebotenen Einsparmöglichkeiten nicht, egal aus welchen Gründen, so ist unser Service für Sie kostenlos.» Der Vertragsschluss erfolgte ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln. Eine Belehrung des Beklagten über ein Widerrufsrecht erfolgte nicht.

Die Klägerin recherchierte sodann für den Beklagten einen Krankenversicherungstarif, der günstiger als sein bisheriger Tarif war. Der Beklagte wechselte spätestens 2014 in den von der Klägerin recherchierten Tarif, zahlte aber die daraufhin gestellte Rechnung der Klägerin nicht. Unter anderem erklärte der Beklagte den Widerruf des Vertrags unter Berufung auf §§ 312g, 355 BGB. Das Amtsgericht wies die Klage auf Zahlung der Vergütung ab. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Rechtliche Wertung

Zwar habe der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung zugestanden, so das LG. Die in der «Dienstleistungsvereinbarung» enthaltene Vergütungsregelung sei weder widersprüchlich noch überraschend noch aufgrund von § 307 BGB unwirksam. Von der gesetzlichen Regelung, wonach eine Vergütung von Dienstleistungen grundsätzlich erfolgsunabhängig erfolge, weiche die Vereinbarung nicht zu Lasten, sondern zu Gunsten des Klägers ab, da er eine Vergütung nur im Erfolgsfalle schulde.

Der Beklagte habe den Vertrag jedoch wirksam nach §§ 312d Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. widerrufen. Es handle sich um einen Fernabsatzvertrag nach § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. Dahinstehen könne, ob es sich um einen Maklervertrag handle, da § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. auch darauf Anwendung finde. Die Norm gelte nicht nur für Verträge, die zur Erbringung einer Dienstleistung verpflichten (was bei Maklerverträgen nicht der Fall ist), sondern für alle Verträge «über die Erbringung von Dienstleistungen».

Die Bereichsausnahme des § 312b Abs. 3 Nr. 3 BGB a. F., wonach die Vorschriften über Fernabsatzverträge keine Anwendung finden auf Verträge über Versicherungen sowie deren Vermittlung, greife vorliegend nicht ein, da die Tätigkeit der Klägerin nicht als Vermittlung im Sinn der Norm einzustufen sei. Die Klägerin habe dem Beklagten keinen (neuen) Versicherungsvertrag vermittelt, sondern ihn lediglich in die Lage versetzt, ein ihm zustehendes Optionsrecht aus § 204 VVG auszuüben (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2016 - IV ZR 393/15, r+s 2016, 305; Anmerkung Grams in FD-VersR 2016, 377855). Diese Leistung sei einer Versicherungsvermittlung zwar ähnlich, aber nicht mit einer solchen identisch, da sie sich ausschließlich auf ein bereits bestehendes Versicherungsverhältnis beziehe. Als Ausnahmevorschrift sei § 312b Abs. 3 Nr. 3 BGB a. F. grundsätzlich eng auszulegen. Überdies verstoße die Regelung auch gegen die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, die ein Widerrufsrecht für jede Art von Finanzdienstleistung vorsehe.

Mangels Belehrung über das Widerrufsrecht sei der Widerruf nicht verfristet und auch nicht verwirkt oder sonst treuwidrig.

Praxishinweis

Die Entscheidung steht teilweise in Widerspruch zu einem Urteil des LG Saarbrücken vom 17.05.2016 (Az.: 14 O 152/15, BeckRS 2016, 09589, Anmerkung Günther in FD-VersR 2016, 378954). Übereinstimmend gehen beide Gerichte davon aus, dass es sich bei der Recherche von Einsparungsmöglichkeiten nicht um einen Maklervertrag handle, weil ein solcher auf den Neuabschluss eines Versicherungsvertrages gerichtet sei.

Das LG Saarbrücken hielt den dortigen Vertrag wegen Verstoßes gegen das RDG für nichtig, weil der Dienstleister eine unzulässige Rechtsberatung über das Recht zum Tarifwechsel nach § 204 VVG erbracht habe. Hierzu trifft das LG Fulda keine Feststellungen.

Hinsichtlich der Wertung, dass die Erfolgsabhängigkeit der Vergütung den Versicherungsnehmer nicht nur nicht unangemessen benachteiligt, sondern ihn gegenüber einer erfolgsunabhängigen Vergütung sogar begünstigt, ist dem LG Fulda entgegen dem LG Saarbrücken zuzustimmen.

Redaktion beck-aktuell, 7. März 2017.