LG Berlin versagt Polizistin Schadenersatz nach Hubschrauber-Unglück vor Berliner Olympiastadion

Eine Beamtin der Bundespolizei, die im März 2013 bei einer Hubschrauberübung der Bundespolizei vor dem Berliner Olympiastadion schwer verletzt worden war, ist mit ihrer Klage auf ein Schmerzensgeld von 75.000 Euro in erster Instanz gescheitert. Das Landgericht Berlin lehnte eine Haftung der Bundesrepublik vor allem deswegen ab, weil der den Unfall verursachende Pilot nicht vorsätzlich gehandelt habe, als er trotz bereits vorhandener Schneeaufwirbelungen landete. Eine direkte Inanspruchnahme des Piloten scheitere daran, dass er den Hubschrauber in seiner Eigenschaft als Bundesbeamter geführt habe. Das Urteil vom 07.07.2017 (Az.: 28 O 456/16) ist noch nicht rechtskräftig. Die Geschädigte kann Berufung beim Kammergericht einlegen.

Hubschrauberübung bei winterlichem Wetter

Am 21.03.2013 veranstaltete die Bundespolizei im Bereich des Berliner Olympiastadions eine Übung, bei der Einsatzkräfte in drei Hubschraubern auf das Maifeld des Stadions eingeflogen werden sollten. An jenem Tag herrschte winterliches Wetter. Am vorgesehenen Landeort befand sich Schnee. Die Hubschrauber sollten nebeneinander landen. Aufgrund der Schneeverhältnisse wurden auf Wunsch eines der drei Piloten, eines Bundespolizeibeamten einer Fliegerstaffel und des späteren Beklagten zu 2), zusätzlich Einweiser im Bereich des vorgesehenen Landeplatzes eingesetzt.

Schneeaufwirbelungen bereits bei Landung der ersten Hubschrauber

Die Klägerin war im Bundespolizeipräsidium, Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, tätig und hatte an jenem Tag die Aufgabe, eine in einem der Hubschrauber mitfliegende Journalistin in Empfang zu nehmen. Daher befand sich die Klägerin unweit von dem Landeplatz. Nachdem der erste Hubschrauber gelandet war, wirbelte der zweite Hubschrauber bei seiner Landung Schnee auf und geriet in die dadurch erzeugte Schneewolke, die zugleich auch den bereits gelandeten ersten Hubschrauber umhüllte. Der Beklagte zu 2), der den dritten Hubschrauber lenkte, befand sich zu diesem Zeitpunkt im Anflug und beobachtete – wie sich aus den nachträglich abgehörten Cockpitaufzeichnungen ergab – die Schneeaufwirbelungen. 89 Sekunden vor dem Unfall sagte er zum Flugtechniker, dass der Schnee wieder weg sei.

Weitere Schneewolke bei Landung dritten Hubschraubers führt zu Unglück

Während des Landeanflugs, bei dem sich die Flughöhe verringerte, entstand eine weitere Schneewolke, die den Einweiser und die gelandeten Hubschrauber vollständig einhüllte. Kurz danach bekam der Hubschrauber mit dem Bugrad und dem rechten Hauptfahrwerk Bodenkontakt, rollte um die Längsachse nach rechts und verschwand in der Schneewolke. Dort kam es zu einem Zusammenstoß mit dem ersten gelandeten Hubschrauber, dessen Pilot dadurch verstarb. Durch die umherfliegenden Metallteile wurden mehrere Personen teilweise schwer verletzt, darunter die Klägerin, bei der unter anderem der linke Unterschenkel amputiert wurde.

Mehrere Gutachten zu Unfallhergang erstellt

Nachfolgend wurde der Unfallhergang in mehreren Gutachten untersucht, und zwar durch die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) und zweifach durch einen weiteren Sachverständigen. Dieser war von der Staatsanwaltschaft Berlin beauftragt worden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten zu 2), das sie gegen ihn als Pilot des verunfallten Hubschraubers eingeleitet hatte.

Geschädigte Polizistin: Pilot hätte Landung abbrechen müssen

Die Klägerin hat Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und den Beklagten zu 2) vor dem LG Berlin erhoben. Sie verlangt unter anderem, dass die Beklagten an sie 75.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Sie macht geltend, der Beklagte zu 2) hätte die Möglichkeit gehabt, die Landung abzubrechen, habe jedoch davon aufgrund einer besonderen mentalen Drucksituation abgesehen. Er habe erkennen können und müssen, dass sich die Schneewolke weiter entfalten würde. Indem er dennoch zum Landeanflug angesetzt habe, habe er billigend in Kauf genommen, dass eine Situation entstehen könne, in der ein Durchstarten nicht mehr möglich wäre.

LG Berlin: Weder Pilot noch Bundesrepublik haften

Das LG Berlin hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte zu 2) hafte bereits deshalb nicht, weil er den Hubschrauber in seiner Eigenschaft als Bundesbeamter gelenkt und damit hoheitlich gehandelt habe. Die Klägerin als Geschädigte könne ihn nicht direkt in Anspruch nehmen. Aber auch die Bundesrepublik Deutschland sei nicht verpflichtet, ein Schmerzensgeld zu zahlen. Nach dem Beamtenversorgungsgesetz käme dies nur in Betracht, wenn das Unfallereignis vorsätzlich herbeigeführt worden oder im allgemeinen Verkehr eingetreten wäre. Letzteres sei nicht der Fall, da es sich um einen Dienstunfall gehandelt habe. Die Klägerin habe im Rahmen ihres Dienstes an einer Einsatzübung teilgenommen.

Beklagtem Piloten kein Vorsatz vorzuwerfen

Der Beklagte zu 2) habe den Unfall auch nicht vorsätzlich verursacht. Dies könnte nur angenommen werden, wenn der Pilot als Amtsträger sich bewusst über eine Amtspflicht hinweggesetzt hätte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen habe sich dem Piloten nicht aufdrängen müssen, den Landeanflug nicht durchzuführen. Auch habe für ihn, nachdem er die Orientierung verloren habe, nicht mehr die Möglichkeit bestanden, den Landeanflug abzubrechen und durchzustarten. Aufgrund des untersuchten Videos, das den Unfall zeigt, und den Aufzeichnungen im Cockpit lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen, dass ein früherer Abbruch des Landeanfluges Erfolg gehabt hätte.

Pilot durfte auf seine Erfahrungen vertrauen

Zudem sei der Beklagte zu 2) ein in Landungen im verschneiten Gebirge erfahrener Pilot, der sich auch mit so genannten White Outs, dem völligen Verlust des Raumgefühls, auskenne. Daher handele es sich nicht bereits dadurch um eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung, dass aufgrund der vorhandenen Schneeverhältnisse der Landeanflug durchgeführt worden sei. Auch ein unzulässiger Druck sei nicht zu erkennen gewesen, da der Druck bei einer Leistungsschau nicht größer sein könne als bei einer Landung in einem unübersichtlichen und unbekannten Gebirge.

Pilot auch für geringen Abstand zu anderen Hubschraubern nicht verantwortlich

Schließlich könne dem Beklagten zu 2) auch nicht vorgeworfen werden, den Landeplatz mit zu geringem Abstand zu den anderen Hubschraubern ausgewählt zu haben. Dies sei aus polizeitaktischen Gründen so festgelegt worden und der Beklagte zu 2) habe davon ausgehen dürfen, dass er im Rahmen der nicht offensichtlich fehlerhaften Vorgaben entsprechend handeln dürfe.

LG Berlin, Urteil vom 07.07.2017 - 28 O 456/16

Redaktion beck-aktuell, 3. August 2017.