LG Bad Kreuznach: Kein Anscheinsbeweis bei untypischem Unfall

StVO § 7 V; ZPO § 286

Das Landgericht Bad Kreuznach hatte nach einem Verkehrsunfall über die Anwendung eines Anscheinsbeweises zu entscheiden. Es lehnte die Anwendung letztlich ab, weil das Kerngeschehen an einer sich verengenden Autobahnpassage rund um einen Auffahrunfall nicht genau genug geklärt werden konnte.

LG Bad Kreuznach, Urteil vom 23.02.2018 - 4 O 64/17, BeckRS 2018, 3967

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 7/2018 vom 12.04.2018

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Straßenverkehrsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Straßenverkehrsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Straßenverkehrsrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Das klägerische Fahrzeug, ein Ford Transit Pritschenwagen, wurde bei einem Unfall hinten in der Mitte beschädigt. Ein nachfolgender niederländischer Lkw wurde vornehmlich vorne rechts im Scheinwerferbereich beschädigt, zudem traf es die Kühlerabdeckung links und rechts.

So lief der Unfall ab: Der niederländische Lkw befand sich auf dem rechten Fahrstreifen eines Stücks der BAB, auf dem von zunächst vorhandenen drei Fahrstreifen wegen einer Baustelle die linke Fahrspur entfiel und der Verkehr sich von dort in die mittlere und rechte Spur einfädelte. Als das klägerische Fahrzeug «schon längst» auf dem rechten Fahrstreifen war, sei der niederländische Lkw aufgefahren, so der Kläger. Der Lkw-Fahrer trägt vor, dass er sich durchgehend auf dem rechten Fahrstreifen befunden habe. Auf diesen sei das Klägerfahrzeug eingeschert und habe gleichzeitig gebremst.

Rechtliche Wertung

Das Gericht hat Zeugen vernommen, ist dem angebotenen Sachverständigenbeweis jedoch nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Die Erholung eines analytischen Sachverständigengutachtens habe unterbleiben müssen, so die Richter, da für ein Gutachten keine Anknüpfungstatsachen vorhanden seien. Insbesondere könne der Sachverständige auch nicht mehr feststellen, wie lange sich das Klägerfahrzeug schon auf dem rechten Fahrstreifen befunden habe.

Die Angaben der Zeugen hätten zwar das «Kerngeschehen» eines Heckanstoßes mitgeteilt. Dies reiche aber für sich allein nicht aus, weil der Sachverhalt einer umfassenden Betrachtung aller Geschehniselemente unterzogen werden müsse und daraus ergebe sich, dass nichts darüber bekundet worden sei, dass der «Auffahrende» eine ausreichende Möglichkeit gehabt habe, zum Vordermann hinreichenden Sicherheitsabstand aufzubauen und wieder herzustellen.

Unstreitig sei jedenfalls, dass das klägerische Fahrzeug vom mittleren auf den rechten Fahrstreifen vor dem Lkw eingeschert sei. Mehr als nur eine Vermutung sei es anzunehmen, dass ein anderes Fahrzeug vor den Pritschenwagen einscherte, was diesen zur Vollbremsung veranlasst habe und gleichzeitig der Anlass war, auf den rechten Fahrstreifen vor dem Lkw einzuscheren, um nicht selbst auf den einscherenden Pkw aufzufahren. 

Praxishinweis

Die Entscheidung wird hier vorgestellt, weil das Gericht im Rahmen des § 286 ZPO sehr sorgfältig das Kerngeschehen untersucht und nicht der Versuchung erliegt, einen Anscheinsbeweis anzunehmen.

Redaktion beck-aktuell, 20. April 2018.