LAG Düsseldorf: Kein Schadensersatz für Kirchenmusiker nach Kündigung wegen Eheaus

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage des ehemaligen Chorleiters und Organisten einer katholischen Kirchengemeinde auf Schadenersatz abgewiesen. Die Klage gegen die Kirchengemeinde und gegen das Bistum Essen war laut LAG erfolglos, weil rechtskräftig feststehe, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Kirchengemeinde durch die Kündigung am 15.07.1997 zum 31.03.1998 aufgrund der Eingehung einer neuen Partnerschaft nach Trennung von seiner Ehefrau sein Ende gefunden hat. Dies hätten die deutschen Gerichte in vorangegangenen Verfahren abschließend entschieden. Den Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) durch die Beklagten, die diese Entscheidungen durchbrechen könnte, habe der Kläger nicht geführt (Urteil vom 12.09.2018, Az.: 12 Sa 757/17).

Kündigung nach Trennung von Ehefrau und neuer Beziehung

Der Kläger war seit 1983 bei einer katholischen Kirchengemeinde als Chorleiter und Organist in Vollzeit beschäftigt. Die Gemeinde kündigte das Arbeitsverhältnis am 15.07.1997 zum 31.03.1998. Hintergrund war die Trennung des Klägers von seiner Ehefrau im Jahr 1995 und die Eingehung einer neuen Partnerschaft, aus der ein Kind hervorging. Nachdem das Arbeitsgericht Essen und das LAG Düsseldorf der hiergegen vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben hatten, hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil des LAG Düsseldorf auf. Nach erneuter Verhandlung und durchgeführter Beweisaufnahme wies das LAG die Klage ab.

Vorgehen gegen Kündigung blieb vor deutschen Gerichten erfolglos

Die Aufnahme einer neuen Beziehung sei eine persönliche sittliche Verfehlung im Sinne der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.1993 (GrO), entschieden die Gerichte. Als Organist und Chorleiter habe er eine große Nähe zum Verkündigungsauftrag der katholischen Kirche gehabt. Das Verfahren gemäß Art. 5 Abs. 1 GrO sei eingehalten worden. Es sei ein klärendes Gespräch geführt und dem Kläger sei vor Augen geführt worden, dass eine Kündigung nur durch den Abbruch der neuen Beziehung habe verhindert werden können. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte das BAG als unzulässig verworfen. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an.

EGMR stellte Verstoß gegen Art. 8 EMRK fest

Mit Urteil vom 23.09.2010 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK fest, der das Privat- und Familienleben schützt (NZA 2011, 279). Es sei zwar an sich kein Problem, dass die deutschen Arbeitsgerichte den Standpunkt des kirchlichen Arbeitgebers für maßgeblich erachtet hätten und von einer schwerwiegenden Pflichtverletzung im Sinn des Art. 5 GrO ausgegangen seien. Die Nähe des Klägers zum Verkündigungsauftrag sei aber nicht ausreichend geprüft und die konkurrierenden Rechte und Interessen seien nicht ausreichend abgewogen worden. Vor dem EGMR hat der Kläger sodann Ersatz für einen materiellen Schaden von 323.741,45 Euro sowie für einen immateriellen Schaden von 30.000 Euro begehrt. Wegen der unzureichenden Interessenabwägung, des Verlusts an Chancen und des immateriellen Schadens hat der EGMR dem Kläger mit Urteil vom 28.06.2012 eine von der Bundesrepublik Deutschland zu zahlende Entschädigung von 40.000 Euro zugesprochen.

Restitutionsklage vor deutschen Arbeitsgerichten erfolglos

Die vom Kläger erhobene Restitutionsklage nach nationalem Recht haben das LAG Düsseldorf und das BAG als unzulässig verworfen. Der in das deutsche Recht eingeführte Wiederaufnahmegrund der vom EGMR festgestellten Konventionsverletzung war laut LAG auf das Verfahren des Klägers zeitlich noch nicht anwendbar. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Klägers blieb erfolglos. Mit dem von ihm geltend gemachten Wiedereinstellungsanspruch scheiterte er vor dem LAG Düsseldorf und vor dem BAG. In dem jetzt entschiedenen Verfahren machte der Kläger eine entgangene Vergütung für die Vergangenheit von 275.067 Euro sowie für die Zeit ab Januar 2017 von monatlich 1.449 Euro geltend.

Dauerhafte außereheliche Beziehung kann Kündigungsgrund sein

Das LAG Düsseldorf hat die Schadenersatzklage abgewiesen. Die Kirche habe sich – entgegen dem Vorwurf des Klägers – nicht in vorsätzlicher Weise die rechtskräftigen Urteile erschlichen, indem sie den staatlichen Gerichten in den Jahren 1997 bis 2000 in Wahrheit nicht existierende kirchenrechtliche Kündigungsgründe vorgetragen hat, betont das LAG. Die dauerhafte außereheliche Beziehung des Klägers sei nach kirchenrechtlichem Verständnis an sich als Kündigungsgrund geeignet gewesen. Zwar werde als Regelbeispiel in Art. 5 GrO nur der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis ungültigen Ehe genannt. Der Kläger habe nicht erneut geheiratet. Die Regelbeispiele seien aber weder nach dem Wortlaut noch nach der Begründung der GrO abschließend. Auch das Unterhalten einer dauerhaften außerehelichen Beziehung stelle einen Verstoß gegen den katholischen Grundsatz der ausschließlichen und lebenslangen Natur der Ehe dar. Dieses sei zwar kein Regelbeispiel, könne aber im Einzelfall als sonstige schwerwiegende Verfehlung im Sinn des Art. 5 GrO angesehen werden. Dies habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht beanstandet, sondern wörtlich ausgeführt, dass dies "an sich kein Problem darstellt".

Annahme der Nähe des Klägers zum Verkündigungsauftrag vertretbar

Die Kirche habe im damaligen Kündigungsschutzverfahren nicht bewusst falsch oder unvertretbar vorgetragen, dass der Kläger als Kirchenmusiker eine Nähe zum Verkündigungsauftrag gehabt habe. Insoweit habe der EGMR beanstandet, dass die deutschen Gerichte dies nicht ausreichend geprüft hätten. Die katholische Kirche habe sich in zumindest vertretbarer Weise auf den Standpunkt gestellt, dass für den Kläger als Kirchenmusiker und somit Mitarbeiter im liturgischen Dienst gesteigerte Loyalitätsanforderungen zu stellen seien. So gehe bereits das Zweite Vatikanische Konzil davon aus, dass die Kirchenmusik einen notwendigen und integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie ausmacht. Im sogenannten Chefarzturteil (BeckRS 2018, 21111) habe der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass sich eine berechtigte berufliche Anforderung einer Kirche aus der Tätigkeit ergeben könne, zum Beispiel wenn sie mit der Mitwirkung an der Bestimmung des Ethos der betreffenden Kirche oder einem Beitrag zu deren Verkündigungsauftrag verbunden sei.

Keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung

Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, die zur Durchbrechung der Rechtskraft der ergangenen Urteile führt, sei nicht gegeben, zumal die Kontroverse um die Frage, ob die Kirchenmusiker als Mitarbeiter des liturgischen Dienstes am Verkündigungsauftrag teilnehmen, bereits Gegenstand des ersten Kündigungsschutzverfahrens gewesen sei.

Strenge Voraussetzungen für Durchbrechung der Rechtskraft nicht gegeben

Da die Entscheidung des EGMR für den Kläger kein Grund zur Wiederaufnahme des ursprünglichen Kündigungsschutzverfahrens sei, müsse die erkennende Kammer keine vollständige neue inhaltliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung vornehmen. Eine Durchbrechung der Rechtskraft der bisherigen Entscheidungen auf der Grundlage eines Schadenersatzanspruchs kam laut LAG nicht in Betracht, weil die dafür gegebenen strengen Voraussetzungen auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EGMR nicht gegeben seien. Das LAG hat die Revision zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2018 - 12 Sa 757/17

Redaktion beck-aktuell, 13. September 2018.