LAG Baden-Württemberg bestätigt weiten Begriff der "politischen Weiterbildung"

Der Begriff der "politischen Weiterbildung" im Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW) ist weit auszulegen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 09.08.2017 klargestellt. Die Teilnahme eines Verfahrensmechanikers an der Bildungsmaßnahme “Arbeitnehmer(innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft“ unterfalle diesem Begriff (Az.: 2 Sa 4/17).

Kläger begehrt bezahlte Freistellung

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf bezahlte Freistellung nach dem BzG BW. Der Kläger ist als Verfahrensmechaniker langjährig bei der Beklagten tätig, die in Alfdorf Sicherheitstechnik für die Automobilindustrie herstellt und circa 1.600 Personen beschäftigt. Der Kläger hat 2016 bei der Beklagten beantragt, zum Zweck der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme “Arbeitnehmer(innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft“ im Zeitraum vom 25. bis 30.09.2016 nach dem BzG BW freigestellt zu werden. Das Seminar führte das Bildungszentrum der IG Metall in Lohr-Bad Orb durch.

Streit um Begriff der "politischen Weiterbildung"

Die Beklagte hat den Antrag auf Bildungszeit mit der Begründung abgelehnt, dass die Bildungsmaßnahme den Anforderungen des BzG BW nicht entspreche. Insbesondere handele es sich bei der Maßnahme nicht um "politische Weiterbildung" im Sinn des § 1 Abs. 4 BzG BW. Der Kläger ist der Ansicht, dass die Bildungsmaßnahme "politische Weiterbildung" zum Inhalt habe. Der Begriff "politische Weiterbildung" sei entgegen der Rechtsansicht der Beklagten weit zu verstehen und liege schon immer dann vor, wenn Informationen über politische Zusammenhänge und deren Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben vermittelt würden. Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte mit Urteil vom 23.02.2017 der Klage stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Gericht verweist auf Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm

Das LAG hat die Berufung der Beklagten jetzt zurückgewiesen. Der Kläger habe einen Anspruch auf bezahlte Freistellung nach dem BzG BW. Bei der Bildungsmaßnahme “Arbeitnehmer(innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft“ handele es sich um "politische Weiterbildung“. § 1 Abs. 4 BzG BW liege ein weiter Politikbegriff zu Grunde. Dies folge aus einer an Wortlaut, Sinn und Zweck orientierten, völkerrechts- und verfassungskonformen Auslegung.

Revision zugelassen

Das BzG BW ist am 01.07.2015 in Kraft getreten. Es handelte sich um die erste Berufungsverhandlung im Bereich der Neuregelung. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2017 - 2 Sa 4/17

Redaktion beck-aktuell, 9. August 2017.