Beschäftigte in Serviceeinheit eines Gerichts hat Anspruch auf Höhergruppierung

Die Betreuung der Aktenvorgänge in einer Serviceeinheit eines (hier: Arbeits-) Gerichts vom Eingang bis zum Abschluss des Rechtsstreits stellt einen Arbeitsvorgang im Tarifsinn dar, in dem in erheblichem Umfang schwierige Tätigkeiten anfallen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 23.07.2020 entschieden und einen Anspruch einer Beschäftigten auf eine Höhergruppierung bestätigt. Das LAG hat die Revision zugelassen.

Klägerin in Serviceeinheit eines Arbeitsgerichts beschäftigt

Die Klägerin ist ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte und seit 1976 beim beklagten Land Baden-Württemberg am Arbeitsgericht Karlsruhe tätig, zunächst als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, später als Beschäftigte in einer Serviceeinheit. Im Arbeitsvertrag zwischen den Parteien wurde die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vereinbart. Im November 2006 wurde die Klägerin unterrichtet, dass sie aufgrund des neuen Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in die Entgeltgruppe 6 übergeleitet werde. Seitdem wird die Klägerin nach dieser Entgeltgruppe vergütet mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 3.268,14 Euro.

Serviceeinheiten dienen ganzheitlicher Vorgangsbearbeitung

Das beklagte Land hat in der Arbeitsgerichtsbarkeit im Februar 2005 das Organisationsmodell der "Serviceeinheiten" eingeführt. Das Hauptziel dieses Projektes ist die flächendeckende Einführung von Mischarbeitsplätzen durch die Vorgabe einer ganzheitlichen Vorgangsbearbeitung. Seit Mitte der 90er Jahre wurde zudem die Verfahrensautomatisierung in der Arbeitsgerichtsbarkeit mit Nachdruck durch die Einführung einer sogenannten Fachanwendung Fokus und zuletzt durch die – beim Arbeitsgericht Karlsruhe seit Dezember 2018 eingeführte – elektronische Akte vorangetrieben. Im Zuge dieser Entwicklung wurden der Klägerin mit Verfügung des Direktors des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom August 2017 weitere Aufgaben übertragen.

Klägerin begehrte Höhergruppierung

Die Klägerin war mit der vom beklagten Land vorgenommenen Eingruppierung in die Entgeltgruppe 6 des TV-L nicht einverstanden. Sie vertrat die Meinung, sie verrichte überwiegend schwierige Tätigkeiten im Tarifsinn, und begehrte die Höhergruppierung in EG 9a mit einer zusätzlichen Vergütung von monatlich 965,41 Euro brutto. Das Land meinte hingegen, dass die Klägerin zu Recht in EG 6 TV-L eingruppiert sei. Auch nach den eigenen Angaben übe die Klägerin nur mit einem Zeitanteil von 27,5% schwierige Tätigkeiten im Tarifsinn aus.

ArbG: Betreuung der Aktenvorgänge ein "Arbeitsvorgang" mit erheblichen schwierigen Tätigkeiten

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die Betreuung der Aktenvorgänge in einer Serviceeinheit vom Eingang bis zum Abschluss des Rechtsstreits stelle einen (großen) Arbeitsvorgang im Tarifsinn dar. Dieser so bestimmte Arbeitsvorgang mache bei weitem den überwiegenden Anteil der der Klägerin übertragenen Gesamttätigkeiten aus. In diesem Arbeitsvorgang fielen in rechtlich erheblichem Umfang schwierige Tätigkeiten im Tarifsinn an. Dagegen legte das Land Berufung ein.

LAG bestätigt ArbG

Das LAG hat die Berufung zurückgewiesen. Es teilt die Auffassung, dass die Bewertung des maßgeblichen Arbeitsvorgangs ergebe, dass die Klägerin überwiegend Tätigkeiten ausübe, die das Tarifmerkmal der "schwierigen Tätigkeiten" der Vergütungsgruppe Vb Teil II Abschnitt T Unterabschnitt I der Anl. 1a zum BAT (= Entgeltgruppe 9a TV-L) erfüllten.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.07.2020 - 14 Sa 68/19

Redaktion beck-aktuell, 4. August 2020.