"Kundin", nicht "Kunde" : Seniorin pocht vor BGH auf weibliche Anrede

Die Welt der Formulare ist männlich. Werden Frauen benachteiligt, wenn nur vom "Kunden" oder "Kontoinhaber" die Rede ist? Eine Sparkassen-Kundin findet das. Die 80-jährige Marlies Krämer aus dem saarländischen Sulzbach will sich auch in unpersönlichen Vordrucken als "Kundin" oder "Kontoinhaberin" wiederfinden – und ist dafür vor den Bundesgerichtshof gezogen. Am 20.02.2018 war die erste mündliche Verhandlung (Az.: VI ZR 143/17). Am 13.03.2018 soll das Urteil fallen.

In Vorinstanzen erfolglos

Nach der mündlichen Verhandlung vor dem BGH in Karlsruhe sagte sie: "Ich sehe das überhaupt nicht mehr ein, dass ich als Frau totgeschwiegen werde." Es sei ihr Recht, als Frau in Sprache und Schrift erkennbar zu sein. Für den BGH geht es im Kern darum, ob die Klägerin durch die unweibliche Ansprache wegen ihres Geschlechts benachteiligt wurde, machte der Vorsitzende Richter klar. In den Vorinstanzen war die Seniorin mit ihrem Anliegen nicht durchgedrungen.

LG verwies auf lange Sprachtradition

Das Landgericht Saarbrücken sah es wie die beklagte Sparkasse: Danach würden schwierige Texte durch die Verwendung beider Geschlechter nur noch komplizierter. Zugleich verwies das Gericht darauf, dass die männliche Form schon "seit 2000 Jahren" im allgemeinen Sprachgebrauch bei Personen beiderlei Geschlechts als Kollektivform verwendet werde. "Sprache, die 2000 Jahre falsch rübergebracht wurde, muss ja nicht noch die nächsten 2000 Jahre falsch rübergebracht werden", kontert Marlies Krämer, die schon andere Geschlechter-Schlachten für sich entschieden hat.

Klägerin engagierte Vorkämpferin für Frauenrechte

Die Seniorin hat in der Vergangenheit wiederholt als engagierte Vorkämpferin für Frauenrechte von sich reden gemacht: So verzichtete sie in den 1990er Jahren so lange auf einen Pass, bis sie als Frau unterschreiben konnte. Später sammelte sie erfolgreich Unterschriften für weibliche Wetter-Hochs – davor wurden Frauennamen nur für Tiefs verwendet.

Geschlechterbenachteiligung wegen unweiblicher Formularsprache?

Für den Sechsten BGH-Zivilsenat mit seinen drei Richtern und zwei Richterinnen geht es im Kern darum, ob die Klägerin durch die unweibliche Formularsprache wegen ihres Geschlechts benachteiligt wurde. Dass die höchsten deutschen Zivilrichter daran Zweifel haben könnten, meinten Beobachter den einführenden Worten des Senatsvorsitzenden Gregor Galke zu entnehmen, der unter anderem ein Argument der Vorinstanz erwähnte: Auch die Gesetzessprache verwendet die männliche Form geschlechtsneutral. Für Wendt Nassall, den Anwalt von Marlies Krämer, greift das zu kurz: "Was im allgemeinen Sprachgebrauch passt, passt nicht in ein Vertragsverhältnis", sagte er. In Vertragstexten seien – im Gegensatz zur Gesetzessprache – geschlechtsspezifische oder neutrale Formulierungen nötig.

Sparkasse verweist auf bürokratischen Aufwand

Dass in Texten so weit wie möglich nach Mann und Frau unterschieden wird, findet zwar auch Reiner Hall richtig, der Anwalt der beklagten Sparkasse. Doch warum solle die Sparkasse korrekter sein als das Gesetz? "Das leuchtet mir überhaupt nicht ein." Es sei das Wesen von Formularen, dass sie vielseitig verwendbar sind. Würde man jeweils nach Frau, Mann, Ehepaar oder sonstigen Gruppen unterscheiden, wäre das bei mehr als 800 verschiedenen Formularen für eine Sparkasse schon ein räumliches Problem. Zumal – abgesehen von Vertragsmustern – Kunden grundsätzlich geschlechtsspezifisch angesprochen würden, wie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband betont.

Redaktion beck-aktuell, 21. Februar 2018 (dpa).