Kölnerin Örs in Türkei zu Haft verurteilt – Ausreisesperre aufgehoben

Sie wollte nur ihre Mutter in der Haft besuchen – und saß dann selbst mehr als zwei Jahre in der Türkei fest. Nun wurde die Kölnerin Gönül Örs von einem Gericht in Istanbul unter anderem wegen Terrorvorwürfen zu mehr als zehn Jahren Haft verurteilt. Eine Ausreisesperre gegen die Frau wurde allerdings aufgehoben, wie die Richter am Donnerstag entschieden. Örs befindet sich gegenwärtig noch in der Türkei.

Örs kündigt Berufung an

Örs (39) hatte krankheitsbedingt nicht an der Verhandlung in Istanbul teilgenommen. Die Kölnerin reagierte am Telefon schockiert auf das Urteil. "Ich bin wirklich sprachlos", sagte sie. "Ich habe nichts verbrochen. Diese Ungerechtigkeit kann ich nicht in Worte fassen." Das Land wolle sie so bald wie möglich verlassen. Gegen das Urteil wolle sie Berufung einlegen. Hintergrund der Anklage ist eine Protestaktion im Jahr 2012 auf einem Schiff in Köln. Örs wurde laut Gerichtsakten vorgeworfen, mit neun weiteren Personen das Schiff besetzt, Banner aufgehangen und PKK-Slogans gerufen zu haben. Sie weist die Vorwürfe zurück. In Deutschland wurden Ermittlungen gegen Örs in dem Fall nach Angaben ihrer Anwältin eingestellt.

Verurteilung unter anderem wegen Terrorpropaganda

Die Richter in der Türkei verurteilten Örs nun für Terrorpropaganda zu einem Jahr und acht Monaten, für Freiheitsberaubung unter Gewaltanwendung zu fünf Jahren und für "Entführung oder Beschlagnahmung" von Beförderungsmitteln zu drei Jahren und neun Monaten Haft. Sie sprachen Örs damit in allen Anklagepunkten schuldig. Der Fall hatte für Kritik gesorgt, weil sich die türkische Ermittlungsakte auf Informationen eines Kontaktbeamten des Bundeskriminalamtes stützt. Anwältin Ayse Celik hat im Lauf des Verfahrens immer wieder kritisiert, dass Beweise aus einer solchen Quelle unrechtmäßig seien. Es habe keine Voraussetzung für ein Verfahren in der Türkei gegeben, kritisierte sie am Donnerstag vor Gericht und forderte Freispruch.

Örs wollte Mutter in Gefängnis besuchen

Die Kölnerin Örs war im Mai 2019 in die Türkei gereist, um ihre damals inhaftierte Mutter – die Sängerin Hozan Cane (Künstlername) – im Gefängnis zu besuchen. Örs wurde dann selbst festgenommen. Sie saß drei Monate in der Türkei in Untersuchungshaft und stand sechs Monate unter Hausarrest, seit Juni vergangenen Jahres galt eine Ausreisesperre. Hozan Cane, die an der Verhandlung ihrer Tochter teilnahm, ist ebenfalls in der Türkei unter Terrorvorwürfen angeklagt. Ihr Prozess wird im Juli fortgesetzt. Örs sagte, dass sie "mit dem Land abgeschlossen" habe. Erst wenn in der Türkei Rechtsstaatlichkeit herrsche, könne sie sich vorstellen, wieder dorthin zu reisen.

Derzeit 62 deutsche Staatsangehörige in türkischer Haft

Im Jahr 2017 hatte eine ganze Serie von Festnahmen deutscher Staatsbürger aus "politischen Gründen" zu einer schweren Krise zwischen Berlin und Ankara geführt. Zurzeit befinden sich nach Angaben der Bundesregierung 62 deutsche Staatsangehörige in türkischer Haft. Aus "politischen Gründen" inhaftierte Deutsche werden nicht mehr gesondert aufgeführt. Der Bundesregierung sind zudem 54 Fälle von Deutschen bekannt, die aufgrund von Ausreisesperren die Türkei nicht verlassen können.

Redaktion beck-aktuell, 24. Juni 2021 (dpa).