KG: Sorgfaltsmaßstab beim Abbremsen anlässlich des Umspringens einer Ampel von Grün auf Gelb

StPO § 244 III; StVO §§ 3, 37 II Nr. 1 S. 5; StGB §§ 222, 315c I Nr. 2d

Bei Verstößen im Zusammenhang mit Ampelschaltungen ist nicht allein auf die Haltelinie abzustellen. Der von der Gelb-Schaltung ausgehende "Bremsbefehl" gilt nach einem Beschluss des Kammergerichts auch, wenn das Fahrzeug erst nach der Haltelinie, aber noch vor dem eigentlichen Kreuzungsbereich zum Stehen gebracht werden kann.

KG, Beschluss vom 23.04.2018 - (3) 161 Ss 18/18 (3/18)-3 Ws 70/18 (LG Berlin), BeckRS 2018, 11217

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 13/2018 vom 05.07.2018

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Sachverhalt

Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, weil er als Kraftfahrer den von einem gelben Ampellicht ausgehenden Normbefehl missachtet und nicht gebremst hatte (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 5 StVO). Nach der Beweisaufnahme hatte festgestanden, dass der Angeklagte bei (gerade) noch gelben Ampellicht die Haltelinie passiert hatte. Das bedeutete aber, dass er sich bei Umschalten auf Rotlicht noch «auf der Höhe der Ampelanlage» befunden hatte und mithin jedenfalls bei rotem Licht in den Kreuzungsbereich eingefahren war.

Bei den von einem Sachverständigen ermittelten Geschwindigkeiten «um 50 km/h» hätte der Angeklagte jedenfalls in dem erweiterten Schutzbereich zwischen Haltelinie und eigentlichem Kreuzungsbereich anhalten können.

Rechtliche Wertung

Das Gericht hat entschieden, dass der Angeklagte, da er hätte anhalten können, dies auch hätte tun müssen. Zusätzlich habe der Angeklagte auch gegen das Sichtfahrgebot verstoßen. Insoweit könne er sich auf keinen Vertrauensgrundsatz berufen, denn Verkehrsvertrauen gelte nur für den, der seinerseits Verkehrsregeln beachtet.

In den amtlichen Leitsätzen geht das Gericht (ausschließlich) auf eine prozessuale Besonderheit ein: Der Beschluss, durch den ein Beweisantrag abgelehnt werde, sei grundsätzlich der Auslegung zugänglich, so dass auch ein anderer Ablehnungsgrund als der tatsächlich bezeichnete zum Tragen kommen könne. Das Revisionsgericht dürfe den Beschluss jedoch nur dann gegen den unmittelbaren Wortlaut auslegen, wenn der zum Tragen kommende Ablehnungsgrund für den Revisionsführer auch erkennbar war und er sich darauf einstellen konnte.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist sehr wesentlich. Bei Verstößen gegen Ampelschaltungen wird allzu häufig allein auf die Haltelinie abgestellt. Dies allerdings ist nicht der einzige Gesichtspunkt, der geprüft werden muss.

Das OLG Celle hatte in ähnlicher Sache unter dem 07.05.2018 darüber zu entscheiden, welcher Sorgfaltsmaßstab beim Umschalten der Ampel zu beachten sei. Über diese Entscheidung hatten wir in der letzten Ausgabe informiert (BeckRS 2018, 10954, Anmerkungen Kääb in FD-StrVR 2018, 406484).

Die Entscheidung des Kammergerichts hier verdient daher Beachtung und zwar nicht nur wegen der prozessualen Gegebenheiten, die in den amtlichen Leitsätzen zum Ausdruck kommen, sondern auch inhaltlich.

Redaktion beck-aktuell, 6. Juli 2018.