KG: Hausratversicherung – Keine grob fahrlässige Schadensverursachung durch im Haushalt versteckten Tresorschlüssel

ZPO § 415; VVG §§ 6 III, 28 II, 32, 62 II, 81, 82; VHB 84 §§ 9 Ziff. 1a, 19, 21 Nr. 1-3

Das Kammergericht hat entschieden, dass in der Hausratversicherung, wenn für die Versicherung von Wertsachen bis zu einer bestimmten Wertgrenze kein besonderer Sicherheitsstandard vereinbart ist, keine grob fahrlässige Schadensverursachung gegeben ist, wenn der Tresorschlüssel im Haushalt versteckt wird und die Täter sich nach gewaltsamem Aufhebeln der Terrassentür Zugang zum Tresor mittels des aufgefundenen Tresorschlüssels verschafft haben.

KG, Beschluss vom 27.07.2018 - 6 U 38/17 (LG Berlin), BeckRS 2018, 28520

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther
BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 24/2018 vom 29.11.2018

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Sachverhalt

Die Klägerin und die Beklagte streiten über Leistungen aus einer Hausratsversicherung, die die Parteien für ein Einfamilienhaus der Klägerin in Berlin geschlossen haben.

Am 30./31.08.2014 kam es zu einem Einbruchdiebstahl in das Einfamilienhaus der Klägerin. Die Täter verschafften sich durch gewaltsames Aufhebeln der Terrassentür Zugang zum Haus. Anschließend öffneten sie einen Wandtresor mittels eines im Haus aufgefundenen Tresorschlüssels und entnahmen diesem alle Wertsachen.

Die Beklagte erbrachte vorgerichtlich Versicherungsleistungen, unter anderem erstattete sie 20.452 EUR für abhandengekommene Wertsachen, die in einem eingemauerten Wandtresor verwahrt waren.

Für Wertsachen, die in § 19 Ziff. 1c der vereinbarten Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VHB 84, Anlage K 1) beschrieben sind und die nicht in einem gegen Wegnahme besonders gesicherten Behältnis verwahrt werden, ist in § 19 Ziff. 3c der Bedingungen eine Entschädigungshöchstgrenze von 40.000 DM (= 20.452 EUR) je Versicherungsfall festgelegt.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten weitergehende Leistungen wegen Schadensfalles, die Beklagte mit ihrer Widerklage die Rückzahlung darauf bereits erbrachter Versicherungsleistungen.

Das LG hat der Klage teilweise in Höhe von 3.034,57 EUR stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Rechtliche Wertung

Das KG hat entschieden, das LG Berlin habe zu Recht der Klägerin weitere Leistungen aus der Hausratsversicherung zugesprochen und die widerklagend geltend gemachte Forderung der Beklagten auf Rückzahlung erbrachter Leistungen als unbegründet zurückgewiesen, weil die Beklagte nicht leistungsfrei geworden sei.

Die Beklagte sei nicht nach § 28 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 9 Ziff. 1a VHB 84 von ihrer Leistungspflicht frei geworden. Die Beklagte sehe zwar richtigerweise in § 9 Ziff. 1a VHB 84 eine vertraglich vereinbarte Obliegenheit, die dem Versicherungsnehmer abverlangt, schon vor Eintritt des Versicherungsfalls Maßnahmen zur Schadensverhütung und -minderung zu ergreifen. Allerdings komme ein vollständiger oder teilweiser Wegfall der Leistungspflicht vorliegend nicht in Betracht. Denn in den im § 21 Nr. 1 und 2 VHB 84 geregelten Obliegenheiten werde auf die außer Kraft getretenen Rechtsfolgen der §§ 6 Abs. 3, 62 Abs. 2 VVG a.F. verwiesen. Die Rechtsfolgen nach diesen außer Kraft getretenen Bestimmungen wichen zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Bestimmungen ab und führten zur Unwirksamkeit nach § 32 S. 1 VVG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die durch die Unwirksamkeit entstandene Vertragslücke könne nicht durch Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 VVG geschlossen werden.

Auch eine Herabsetzung der Leistungspflicht oder Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 81 VVG oder § 82 VVG komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht. § 81 VVG sei mangels eines kausalen Zusammenhangs zwischen den beanstandeten Verwahrmodalitäten und dem Eintritt des Versicherungsfalls nicht erfüllt. Die Täter hätten sich durch gewaltsames Aufhebeln der Terrassentür Zugang in das versicherte Wohnhaus verschafft, was durch die Verwahrung von Wertsachen im Tresor bei in der Wohnung verstecktem Schlüssel nicht begünstigt worden sei. § 82 VVG, der Obliegenheiten bei Eintritt des Versicherungsfalles zum Gegenstand hat, sei nicht einschlägig, weil die Beklagte der Klägerin vorwirft, vor Eintritt des Versicherungsfalls ungenügende Schutzmaßnahmen ergriffen zu haben.

Abgesehen davon sei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit auch nicht berechtigt. Denn der Vorwurf der grob fahrlässigen Schadensverursachung setze grundsätzlich voraus, dass das fragliche Verhalten, das zum Schaden geführt hat, den nach dem Vertrag vorausgesetzten Standard an Sicherheit im Hinblick auf die versicherte Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten hat. Das könne hier nicht festgestellt werden. Denn nach den Versicherungsbedingungen gelte für Wertsachen bis zu einer Wertgrenze von 20.452 EUR kein spezieller Sicherheitsstandard. Insoweit habe die Beklagte Versicherungsschutz unabhängig von den Verwahrverhältnissen zugesagt. Da die Klägerin mit der Verwahrung in dem eingemauerten Tresor sogar einen höheren Sicherheitsstandard als vertraglich vorausgesetzt gewahrt hatte, sei der Vorwurf grob arglistigen Verhaltens erst Recht nicht begründet.

Praxishinweis

Das KG ist dem Vortrag der Beklagten, dass die Klägerin arglistig falsche Angaben zum Verschlusszustand des Wandtresors gemacht habe nicht gefolgt, bzw. hat diesbezüglich die Beweiswürdigung des LG nicht beanstandet. Allein damit hätte die Beklagte ihre Leistungsfreiheit erreichen können. Denn bei einer fehlenden Anpassung von Versicherungsverträgen an die neue Rechtslage und damit keiner ausdrücklichen Vereinbarung einer Sanktionierungsmöglichkeit für die Verletzung von vereinbarten Aufklärungsobliegenheiten, kann eine arglistige Täuschung zur Verwirkung des Versicherungsanspruchs führen (OLG Köln, Urteil vom 17.01.2014 - 20 U 208/12, r+s 2015, 150).

Redaktion beck-aktuell, 7. Dezember 2018.