Katalonien: Ursachen für das starke Aufflammen der Unabhängigkeitsbewegung

Das Erstarken der aktuellen Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien speist sich vor allem aus einem Datum: dem 28.06.2010. Damals kippte das Oberste Gericht Spaniens auf Betreiben der konservativen Volkspartei (PP) ein neues Autonomiestatut für die Region, das 2006 unter der Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Zapatero vom Parlament in Madrid und von den Katalanen selbst in einer Volksbefragung gebilligt worden war. Knapp zwei Wochen später kam es zu einer Massendemonstration in Barcelona, an der mehr als eine Million Menschen teilnahmen.

Rajoy keine Hilfe im Katalonien-Konflikt

Seit Mariano Rajoy und seine PP im Dezember 2011 an die Macht kamen, gab es kaum noch Gespräche der Zentralregierung mit der Region im Nordosten des Landes. Rajoy verfügte im Parlament über eine absolute Mehrheit und musste deshalb nicht mit Zugeständnissen auf Stimmenfang in Katalonien gehen. Er konzentrierte sich vor allem darauf, die 2008 ausgebrochene massive Wirtschaftskrise seines Landes in den Griff zu bekommen. Da passte der Wunsch nach mehr finanzieller Unabhängigkeit der Katalanen nicht in sein Konzept.

Katalanen befürchten Unterdrückung wie zu Francos Zeiten

Die Menschen im wirtschaftsstarken Katalonien sind vor allem wütend über die Korruptionsskandale der Regierung und wettern, Rajoy und seine Verbündeten verfolgten noch immer die gleichen Ziele wie die Franco-Diktatur. Unter der Herrschaft Francisco Francos, der 1975 starb, waren die katalanische Sprache und Kultur teilweise brutal unterdrückt worden. Viele Bürger des traditionell eher linken und republikanischen Kataloniens, selbst solche, die gegen die Unabhängigkeit sind, lehnen die spanische Monarchie ab.

Geld nicht einziger Grund für Unabhängigkeitsstreben

Viele Bürger auf den Straßen geben übereinstimmend an, sie müssten viel zu viel Geld an die "korrupte Regierung" in Madrid abgeben, was die eigene Jugend in die Perspektivlosigkeit geführt habe. Sie glauben, dass ein unabhängiges Katalonien in Europa besser dastünde. Das Geld sei aber nicht der wichtigste Grund für das Streben nach Unabhängigkeit, betonen viele Katalanen.

Puigdemont neuer katalanischer Hoffnungsträger

Im Januar 2016 wurde Carles Puigdemont als neuer katalanischer Hoffnungsträger zum Chef der Generalitat (Regionalregierung) gewählt. Als er im Juni 2017 bekanntgab, am 01.10.2017 ein Referendum über die Unabhängigkeit abzuhalten, sahen viele Katalanen ihre Stunde gekommen. Bei der Volksbefragung stimmten mehr als 90% der Teilnehmer für die Trennung. Allerdings hatten nur 43% der 5,3 Millionen Wahlberechtigten teilgenommen.

Redaktion beck-aktuell, 11. Oktober 2017 (dpa).