Justizminister der Länder diskutieren über Krisenfestigkeit des Grundgesetzes

70 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes diskutierten die Justizminister der Länder über die Frage, ob die Verfassung krisenfest ist. Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) warf bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen am 07.11.2019 in Berlin die Frage auf, ob es angesichts teilweiser Einbußen von Rechtsstaatlichkeit in manch anderen europäischen Ländern nicht zusätzlicher Sicherungen bedürfe, um etwa das Bundesverfassungsgericht vor Angriffen durch neue politische Mehrheiten zu schützen. Unionsgeführte Länder verneinten das.

Steffen: Erosion demokratischer Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn erschreckend

Steffen verwies darauf, dass das Grundgesetz Vorbild für junge Demokratien in Mittel- und Osteuropa gewesen sei. “Und wir erleben jetzt, dass Staaten, die sich ausdrücklich mit ihrer Verfassungsordnung am Grundgesetz orientiert haben, mit letztlich wenigen Federstrichen in eine Lage geraten sind, wo sie eine unabhängige Justiz nicht mehr haben, eine freie Presse nicht mehr haben“, sagte er mit Blick auf Polen und Ungarn. Garanten von Demokratie und Rechtsstaat seien also als allererstes “ausgeschaltet“ worden. Das finde er erschreckend.

Grundrechte auch in Deutschland gefährdet?

“Wenn also diese Verfassungsordnung, die Vorbild war für so viele Staaten, so leicht ausgehebelt werden kann, sollten wir noch einmal den Blick auf die eigene Situation werfen“, meinte Steffen. Die Frage sei: Könne eine solche Krise auch in Deutschland mit relativ wenigen Schritten herbeigeführt werden? Diese Debatte müsse geführt werden, “bevor es zu spät ist“, so Steffen.

Hessische Justizministerin sieht keinen Handlungsbedarf

Hessen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU), die in der Justizministerkonferenz Koordinatorin der Unions-Länder ist, widersprach. “Das Grundgesetz gewährleistet, dass der Rechtsstaat wehrhaft ist“, sagte sie. “Und ich kann nicht sehen, dass wir Handlungsbedarf haben und das Grundgesetz uns in die Krise führt und wir da einen Ausweg suchen.“

Justizminister bekräftigen dennoch gemeinsame Verantwortung zum Erhalt des Grundgesetzes

Die Minister verabschiedeten dazu auch vor dem Hintergrund des 30. Jahrestages des Mauerfalls einen Beschluss, der nach den Worten Steffens den “kleinsten gemeinsamen Nenner“ darstellt. Darin heißt es: “Es ist die gemeinsame Verantwortung der staatlichen Institutionen und aller Bürgerinnen und Bürger, die bewährte Verfassungsordnung des Grundgesetzes auch gegen Anfeindungen zu erhalten, zu stärken und täglich mit neuem Leben zu erfüllen.“

Redaktion beck-aktuell, 11. November 2019 (dpa).