Cum-/ex-Geschäfte: Zum Beweiswert einer Kapitalertragsteuerbescheinigung

Das Finanzgericht Hessen hat einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung einer geänderten Anrechnungsverfügung über Kapitalertragsteuer abgewiesen. In dem Eilverfahren um Cum-/ex-Geschäfte hat sich das Gericht vor allem mit der Frage auseinandergesetzt, welcher Beweiswert einer unrichtigen Kapitalertragsteuerbescheinigung zukommt.

Kapitalertragsteuerbescheinigung liefert keinen Vollbeweis

Hintergrund der "Cum-/ex-Geschäfte" ist der Handel von Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenberechtigung rund um einen Dividendenstichtag, der bei bestimmter Gestaltung die Gefahr einer doppelten/mehrfachen Anrechnung von (einmal erhobener) Kapitalertragsteuer in sich trägt. Das FG hat entschieden, dass die Bescheinigung über Kapitalertragsteuer keinen Vollbeweis für die Erhebung der Kapitalertragsteuer liefert. Sie sei lediglich ein unverzichtbares Nachweismittel, um eine praktikable und rechtssichere Durchführung von Kapitalertragsteuer-Anrechnung zu ermöglichen.

Erschütterung des Anscheinsbeweises bei Leerverkäufen

Lägen Indizien vor, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür begründeten, dass die erworbenen Aktien aus einem Leerverkauf stammten und von einer ausländischen Depotbank bezogen wurden, greife der Anscheinsbeweis der Steuerbescheinigung für die Erhebung der Kapitalertragsteuer nicht ein.

Kein Anscheinsbeweis bei "Back-to-Back-Geschäften"

Weiterhin entschied das FG, dass bei sogenannten Back-to-Back-Geschäften, bei denen sich der Broker als Aktienverkäufer nahezu zeitgleich selbst mit den Aktien eindecke, die von einer ausländischen Depotbank geliefert werden, kein Anscheinsbeweis zu Gunsten der Erhebung von Kapitalertragsteuer bei Auszahlung der Nettodividende an die Depotbank des Aktienkaufes bestehe.

Schluss auf Nichterhebung bei Aktienrückverlauf über Futures oder Calloptionen an ursprünglichen Verkäufer

Darüber hinaus könne von der Nichterhebung der Kapitalertragsteuer auch dann ausgegangen werden, wenn die Aktien über sogenannte Futures oder Calloptionen wieder an den ursprünglichen Aktienlieferanten zurückübertragen werden und eine Differenzbetrachtung der Einkaufs- und Rückkaufspreise zuzüglich der Nettodividende einen Verlust ergebe, sodass das Geschäft nur durch die Aufteilung der nicht entrichteten Kapitalertragsteuer profitabel werde.

FG Hessen, Beschluss vom 06.04.2021 - 4 V 723/20

Redaktion beck-aktuell, 14. Juni 2021.