EU-Kommission: Milliarden-Geldbuße gegen Google wegen Missbrauchs beherrschender Stellung bei Online-Werbung

Die Europäische Kommission hat gegen Google eine Geldbuße in Höhe von 1,49 Milliarden Euro verhängt. Sie wirft dem Unternehmen vor, gegen EU-Kartellrecht verstoßen zu haben. Google habe durch restriktive Klauseln in Verträgen mit Websites Dritter verhindert, dass Wettbewerber Werbeanzeigen auf diesen Websites platzieren konnten. Damit habe Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht.

AdSense als Online-Vermittlungsplattform für Suchmaschinenwerbung

Google biete den Betreibern von "Publisher"-Websites über seinen Dienst AdSense for Search Werbeanzeigen an. Dabei übernehme Google als Vermittler zwischen Werbetreibenden und Eigentümern der Websites, die die Flächen um ihre Suchergebnisse herum kommerziell nutzen möchten, die Rolle eines Anzeigenmaklers, erläuterte die Kommission. AdSense sei folglich eine Online-Vermittlungsplattform für Suchmaschinenwerbung.

Google im EWR mit Abstand größter Vermittler von Suchmaschinenwerbung

Google war nach Angaben der Kommission von 2006 bis 2016 mit einem Marktanteil von über 70% mit Abstand der größte Vermittler von Suchmaschinenwerbung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). 2016 habe der Marktanteil von Google auch auf den nationalen Märkten für allgemeine Internet-Suchanfragen im Allgemeinen bei über 90% gelegen und auf den meisten nationalen Märkten für Suchmaschinenwerbung, auf denen Google mit seinem bekanntesten Produkt, der Google-Suchmaschine, präsent ist, bei über 75%.

Websites Dritter für alternative Vermittler bedeutsam

Wettbewerbern im Bereich der Suchmaschinenwerbung, wie beispielsweise Microsoft und Yahoo, sei es nicht möglich, Werbeflächen auf den Ergebnisseiten der Google-Suchmaschine zu verkaufen, sodass Websites Dritter für diese alternativen Vermittler von Suchmaschinenwerbung eine wichtige Möglichkeit darstellten, zu expandieren und mit Google zu konkurrieren.

Publishern Platzierung von Werbeanzeigen von Konkurrenten untersagt

Die Vermittlung von Suchmaschinenwerbung durch Google an die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wichtigsten Publisher erfolge im Rahmen individuell ausgehandelter Vereinbarungen. Die Kommission hat im Verlauf ihrer Untersuchung eigenen Angaben zufolge Hunderte solcher Vereinbarungen geprüft. Die Prüfung habe ergeben, dass Google seit 2006 Ausschließlichkeitsklauseln in seine Verträge aufgenommen habe. Den Klauseln zufolge durften Publisher auf ihren Suchergebnisseiten keine Werbeanzeigen von Konkurrenten platzieren. Der jetzt ergangene Beschluss betrifft laut Kommission Publisher, die mit Google für all ihre Websites solche Klauseln vereinbart hatten.

Neuregelung sah "Prämium-Platzierung" der Anzeigen von Google vor

Im März 2009 begann Google laut Kommission, die Ausschließlichkeitsklauseln schrittweise durch Klauseln über die sogenannte Prämium-Platzierung zu ersetzen. Danach seien Publisher verpflichtet gewesen, die rentabelsten Flächen auf ihren Suchergebnisseiten den Anzeigen von Google vorzubehalten und eine Mindestzahl von Google-Anzeigen zu platzieren. So wurde nach Angaben der Kommission verhindert, dass Google-Konkurrenten ihre Suchmaschinenwerbung an den am besten sichtbaren und am häufigsten angeklickten Stellen der Ergebnisseiten der Websites platzieren konnten.

Anzeigen von Konkurrenten kontrolliert

Ab März 2009 habe Google ferner Klauseln in die Vereinbarungen aufgenommen, nach denen Publisher erst nach schriftlicher Zustimmung von Google verändern durften, wie Suchmaschinenwerbung von Google-Konkurrenten angezeigt wurde. So habe Google kontrollieren können, wie interessant die Anzeigen von Konkurrenten waren und wie häufig sie angeklickt wurden.

Mehr als die Hälfte des Marktes betroffen

Von den Verhaltensweisen von Google war nach Mitteilung der Kommission über fast den gesamten Zeitraum hinweg und bezogen auf den Umsatz mehr als die Hälfte des Marktes betroffen. Konkurrenten hätten keine Möglichkeit gehabt, in einen leistungsbezogenen Wettbewerb zu Google zu treten. Entweder sei es direkt untersagt gewesen, ihre Anzeigen auf Publisher-Websites zu platzieren, oder Google habe den eigenen Anzeigen die bei Weitem erfolgversprechendsten Flächen auf diesen Websites vorbehalten und habe zugleich kontrolliert, wie Anzeigen von Konkurrenten erscheinen konnten.

Verstoß gegen EU-Kartellrecht

Google missbrauchte nach Auffassung der Kommission durch die beschriebenen Verhaltensweisen seine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Vermittlung von Suchmaschinenwerbung, indem der Wettbewerb ausgeschaltet wurde. Eine marktbeherrschende Stellung an sich sei nach den EU-Kartellvorschriften nicht verboten. Allerdings trügen marktbeherrschende Unternehmen eine besondere Verantwortung. Sie dürften ihre starke Marktstellung nicht missbrauchen, indem sie den Wettbewerb auf dem beherrschten Markt oder auf anderen Märkten einschränken.

Hohe Marktzutrittsschranken

Die Kommission gelangt in ihrem Beschluss zu dem Ergebnis, dass Google mindestens seit 2006 auf dem Markt für die Vermittlung von Suchmaschinenwerbung im EWR eine beherrschende Stellung innehat. Abzulesen sei dies insbesondere an den sehr hohen Marktanteilen von Google, die fast während des gesamten Zeitraums bei über 85% gelegen hätten. Auch sei der Markt durch hohe Marktzutrittsschranken gekennzeichnet: Die (Weiter-)Entwicklung der allgemeinen Suchmaschinentechnologie und einer Vermittlungsplattform für Suchmaschinenwerbung sowie der Aufbau eines hinreichenden Portfolios von Publishern und Werbetreibenden erfordere sowohl zu Beginn als auch im weiteren Verlauf sehr hohe Investitionen.

Wettbewerb beeinträchtigt und Innovationen gehindert

Google habe diese marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem es andere Unternehmen daran gehindert habe, auf dem Markt für die Vermittlung von Suchmaschinenwerbung mit Google zu konkurrieren. Auf der Grundlage umfangreicher Beweismittel habe die Kommission festgestellt, dass die Verhaltensweisen von Google den Wettbewerb beeinträchtigten, den Verbrauchern schadeten und zu weniger Innovationen führten.

Website-Betreiber fast ausschließlich auf Google angewiesen

Die Wettbewerber von Google seien nicht in der Lage gewesen, zu expandieren und Vermittlungsdienste für Suchmaschinenwerbung anzubieten, die eine Alternative zu den Diensten von Google dargestellt hätten. Dadurch seien die Betreiber von Websites fast ausschließlich auf Google angewiesen, um die Flächen auf ihren Websites kommerziell zu nutzen. Google habe nicht nachgewiesen, dass die Klauseln zu Effizienzgewinnen geführt hätten, die seine Verhaltensweisen rechtfertigten.

Geldbuße entspricht 1,29% des Umsatzes von Google in 2018

In der von der Kommission verhängten Geldbuße in Höhe von 1.494.459.000 Euro (1,29% des Umsatzes von Google im Jahr 2018) finden nach Angaben der Kommission Dauer und Schwere der Zuwiderhandlung Berücksichtigung.

Auch Maßnahmen mit derselben Zielsetzung künftig zu unterlassen

Google habe die rechtswidrigen Verhaltensweisen einige Monate nach Übermittlung der einschlägigen Mitteilung der Beschwerdepunkte im Juli 2016 durch die Kommission eingestellt. In dem Beschluss werde das Unternehmen aufgefordert, zumindest die rechtswidrigen Verhaltensweisen einzustellen, soweit dies noch nicht geschehen ist, und von Maßnahmen mit derselben oder einer entsprechenden Zielsetzung oder Wirkung abzusehen.

Opfer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen können Schadenersatz verlangen

Google sei ferner im Rahmen zivilrechtlicher Schadenersatzklagen, die von Personen oder Unternehmen, die von den wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen betroffen sind, vor den Gerichten der Mitgliedstaaten erhoben werden können, haftbar. Durch die neue EU-Richtlinie über Schadenersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sei es für Opfer wettbewerbswidriger Verhaltensweisen inzwischen leichter, Schadenersatz zu erhalten.

Redaktion beck-aktuell, 20. März 2019.