Unionsrechtliches Missbrauchsverbot gilt nicht für Fremdwährungsklausel in Darlehensverträgen

Eine Vertragsklausel, die nicht ausgehandelt wurde, sondern auf einer Regelung beruht, die nach nationalem Recht zwischen den Parteien gilt, wenn insoweit nichts anderes vereinbart wurde, fällt nicht unter das Unionsrecht zu missbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen. Es sei davon auszugehen, dass nationale Gesetzgeber eine ausgewogene Regelung aller Rechte und Pflichten der Parteien bestimmter Verträge getroffen haben, urteilte der Gerichtshof der Europäischen Union.

Klausel über Bindung an Fremdwährung missbräuchlich?

Im Ausgangsverfahren ging es um einen im Jahr 2006 geschlossenen Fremdwährungskreditvertrag in Rumänien, der über einen Betrag von 90.000 rumänischen Lei (etwa 18.930 Euro) geschlossen wurde. 2008 wurde zur Refinanzierung des ursprünglichen Vertrags ein weiteres Darlehen vereinbart, das aufgrund interner Regelungen nun auf Schweizer Franken lautete. Die starke Abwertung der rumänischen Währung führte in den folgenden Jahren fast zu einer Verdoppelung des zurückzuzahlenden Betrags. Die Darlehensnehmer hielten die Bindung an die ausländische Währung für missbräuchlich und klagten vor rumänischen Gerichten. Sie meinten zudem, die Bank habe ihre Informationspflicht verletzt, indem sie sie bei Aushandlung und Abschluss des Vertrags nicht vor dem Risiko gewarnt habe, das mit der Umwandlung des ursprünglichen Vertrags in eine ausländische Währung verbunden war.  Außerdem schaffe die Klausel über die Rückzahlung in Fremdwährung ein Ungleichgewicht zu ihrem Nachteil, da sie das Wechselkursrisiko allein trügen.

Rumänisches Gericht ersuchte den Gerichtshof um Klärung

Das mit der Sache befasste Gericht hat den Gerichtshof gefragt, ob die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen auf eine Vertragsklausel anwendbar ist, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, sondern auf einer Regelung beruht, die nach nationalem Recht zwischen den Vertragsparteien gilt. Das Gericht wollte auch noch wissen, welche Konsequenzen ein nationales Gericht gegebenenfalls aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel zum Wechselkursrisiko ziehen soll.

EuGH: Unionsrecht zu missbräuchlichen Klauseln vorliegend nicht anwendbar

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen nicht auf eine Vertragsklausel anwendbar ist, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, sondern auf einer Regelung beruht, die nach nationalem Recht zwischen den Vertragsparteien gilt, wenn insoweit nichts anderes vereinbart wurde. Bei einer Vertragsklausel, die auf einer Rechtsvorschrift beruhe und bindend sei, sei der Ausschluss der Geltung der Richtlinie dadurch gerechtfertigt, dass grundsätzlich angenommen werden könne, dass der nationale Gesetzgeber eine ausgewogene Regelung aller Rechte und Pflichten der Parteien bestimmter Verträge getroffen habe.

Auch abdingbare Vorschrift stellt bindende Rechtsvorschrift dar

Die hier streitige Klausel der Allgemeinen Bedingungen beruhe auf einer abdingbaren Vorschrift des nationalen Rechts. "Bindende Rechtsvorschriften" seien auch abdingbare Regeln, die nach dem nationalen Recht zwischen den Vertragsparteien gelten, wenn nichts anderes vereinbart worden ist. In dieser Hinsicht unterscheide die Bestimmung nicht zwischen Vorschriften, die unabhängig von der Wahl der Vertragsparteien gelten, und abdingbaren Vorschriften. Insoweit sei zum einen der Umstand, dass von einer Vorschrift des nationalen Rechts abgewichen werden könne, unerheblich für die Prüfung der Frage, ob eine Vertragsklausel, die auf einer solchen Vorschrift beruhe, ausgeschlossen sei. Zum anderen habe der Umstand, dass eine Vertragsklausel, die auf einer der in der fraglichen Richtlinie genannten Vorschriften beruhe, nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, keinen Einfluss auf ihren Ausschluss vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie.

EuGH, Urteil vom 09.07.2020 - C-81/19

Redaktion beck-aktuell, 10. Juli 2020.