Online-Plattformen müssen bei illegalem Upload nur Postanschrift des Nutzers herausgeben

Online-Plattformen wie YouTube müssen von Nutzern, die illegal Filme hochgeladen haben, nur die Postanschrift herausgeben, nicht aber deren E-Mail-Adresse, IP-Adresse oder Telefonnummer. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 09.07.2020 in Auslegung der Enforcement-Richtline 2004/48/EG entschieden.

Herausgabe von Nutzerdaten nach illegalem Upload begehrt

Die Constantin Film Verleih GmbH ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Filmen Parker und Scary Movie 5 in Deutschland. In den Jahren 2013 und 2014 wurden die Filme ohne ihre Zustimmung bei YouTube hochgeladen. Dort wurden sie mehrere zehntausend Male angeschaut. Constantin Film Verleih verlangte daher von YouTube und von Google, der Muttergesellschaft von YouTube, Auskünfte über die Nutzer, die die Filme hochgeladen hatten. Diese beiden Unternehmen verweigerten Auskünfte zu den Nutzern, insbesondere zu E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen.

EuGH zur Auslegung der Enforcement-Richtlinie angerufen

Der Ausgangsrechtsstreit hängt von der Beantwortung der Frage ab, ob solche Auskünfte unter den Begriff "Adressen" im Sinne der Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG fallen. Nach dieser Richtlinie können die Gerichte anordnen, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, erteilt werden. Zu diesen Informationen gehören unter anderem die "Adressen" der Hersteller, Vertreiber und Lieferer der rechtsverletzenden Waren oder Dienstleistungen.

EuGH: Begriff "Adresse" erfasst nur Postanschrift

Der EuGH hat entschieden, dass der Rechtsinhaber nach der Enforcement-Richtlinie vom Betreiber nur die Postanschrift des betreffenden Nutzers verlangen könne, nicht aber dessen E-Mail-Adresse, IP-Adresse oder Telefonnummer. Der gewöhnliche Sinn des Begriffs "Adresse" erfasse nur die Postanschrift. Daraus folge, dass sich dieser ohne weitere Präzisierung verwendete Begriff nicht auf die E-Mail-Adresse, die Telefonnummer oder die IP-Adresse bezieht. Ferner seien den Vorarbeiten zum Erlass der Richtlinie keine Anhaltspunkte für erweitertes Verständnis des Begriffs "Adresse" zu entnehmen. Zudem werde der Begriff "Adresse" – ohne weitere Präzisierung – auch nicht in anderen Unionsrechtsakten, die die E‑Mail-Adresse oder die IP-Adresse beträfen, zur Bezeichnung der Telefonnummer, der IP-Adresse oder der E-Mail-Adresse verwendet.

Enge Auslegung im Einklang mit Ziel der EU-Regelung

Der EuGH sieht diese Auslegung im Einklang mit dem Ziel der Regelung zum Auskunftsrecht. Angesichts der Mindestharmonisierung in Bezug auf die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums im Allgemeinen sei diese Harmonisierung nach dieser Bestimmung nämlich auf klar umschriebene Auskünfte beschränkt. Außerdem solle mit dieser Bestimmung die Beachtung verschiedener Rechte, etwa des Rechts der Rechtsinhaber auf Auskunft und des Rechts der Nutzer auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten, miteinander in Einklang gebracht werden.

EU-Staaten können Rechteinhabern umfassenderen Auskunftsanspruch einräumen

Der EuGH weist jedoch darauf hin, dass die Mitgliedstaaten den Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums einen weitergehenden Auskunftsanspruch einräumen können. Dies stehe allerdings unter dem Vorbehalt, dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Grundrechten gewährleistet ist und die anderen allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts wie etwa der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden.

EuGH, Urteil vom 09.07.2020 - C-264/19

Redaktion beck-aktuell, 9. Juli 2020.