EuGH: Luxemburgs Modalitäten für Studienbeihilfe für Grenzgänger-Kinder unionsrechtswidrig

Die Modalitäten für die Berechnung der Mindestdauer einer Tätigkeit im Großherzogtum Luxemburg, von der in diesem Mitgliedstaat die Gewährung einer finanziellen Beihilfe an nicht dort ansässige Studierende, die Kinder von Grenzgängern sind, abhängt, verstoßen gegen das Unionsrecht. Die Berechnung der Mindestdauer von fünf Jahren anhand eines Referenzzeitraums von sieben Jahren erlaubt es nicht, umfassend zu beurteilen, ob eine Verbundenheit mit dem luxemburgischen Arbeitsmarkt besteht. Die hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil 10.07.2019 entschieden (Az.: C-410/18).

Französischer Student beantragte als Sohn eines Grenzgängers Studienbeihilfe in Luxemburg

Der französische Kläger des Ausgangsverfahrens wohnt mit seinem Vater in Frankreich nahe der französisch-luxemburgischen Grenze. Der Vater war als Grenzgänger von Oktober 1991 bis September 2014 mit Unterbrechungen, zwischen Januar 2008 und Dezember 2012, in Luxemburg als Arbeitnehmer tätig. Der Kläger beantragte als nicht in Luxemburg ansässiger Studierender für das Wintersemester des Studienjahrs 2014/15 beim luxemburgischen Staat eine finanzielle Beihilfe für sein Studium in Straßburg. Zum Zeitpunkt der Beantragung der Beihilfe war sein Vater in Luxemburg steuerpflichtig und hatte mehr als 17 Jahre lang Beiträge zum Sozialversicherungssystem dieses Staates geleistet. Die zuständige Behörde lehnte den Antrag ab, weil die nach luxemburgischem Recht erforderliche Mindestarbeitsdauer im Referenzzeitraum nicht erfüllt sei. Der Vater habe innerhalb des siebenjährigen Referenzzeitraums vor Antragstellung keine fünf Jahre in Luxemburg gearbeitet.

Gericht legt EuGH Frage zur Rechtmäßigkeit der Mindestarbeitsdauer als Beihilfevoraussetzung vor

Hiergegen klagte der Sohn vor einem luxemburgischen Gericht. Dieses legte dem Gerichtshof die Frage vor, ob die Voraussetzung, wonach der Antragsteller das Kind eines Erwerbstätigen sein muss, der zum Zeitpunkt der Beantragung der Beihilfe innerhalb eines siebenjährigen Referenzzeitraums mindestens fünf Jahre lang unselbstständig oder selbstständig in Luxemburg tätig war, erforderlich sei, um das vom luxemburgischen Gesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen, das darin bestehe, den Anteil von Personen mit Studienabschluss zu erhöhen.

EuGH: Luxemburgische Regelung nicht europarechtskonform

Der Gerichtshof hat entscheiden, dass die Voraussetzung der Mindestarbeitsdauer des Grenzgängers für die Gewährung einer Studienbeihilfe vorliegend europarechtswidrig ist. In diesem Zusammenhang hat er darauf hingewiesen, dass der konkrete Fall in einer Reihe mit zwei anderen den luxemburgischen Staat betreffenden Rechtssachen steht und die Frage aufwirft, ob die luxemburgischen Rechtsvorschriften mit dem in Art. 45 AEUV verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung und den Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen innerhalb der Union vereinbar sind.

Voraussetzungen für Studienbeihilfe tangieren Grundsatz der Gleichbehandlung

Der Grundsatz der Gleichbehandlung verbiete nicht nur unmittelbare Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle mittelbaren Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale de facto zum gleichen Ergebnis führen. Die luxemburgischen Rechtsvorschriften enthielten eine Unterscheidung aufgrund des Wohnsitzes, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten stärker benachteiligen könne, da Gebietsfremde meist Ausländer seien, und die Unterscheidung somit eine mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstelle, die nur dann zulässig wäre, wenn sie objektiv gerechtfertigt wäre. Dies könne nur angenommen werden, wenn sie geeignet sei, die Verwirklichung eines legitimen Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei.

Förderung gebietsansässiger Bildungsstruktur zwar legitimes Ziel

Das in den luxemburgischen Rechtsvorschriften genannte Ziel, in Luxemburg den Anteil gebietsansässiger Personen mit Studienabschluss deutlich zu erhöhen, sei ein legitimes Ziel, das eine mittelbare Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit rechtfertigen könne. Somit sei zu prüfen, ob der zur Berechnung der Mindestarbeitsdauer von fünf Jahren eingeführte Referenzzeitraum von sieben Jahren vor der Beantragung der Beihilfe nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich sei.

Referenzzeitraum greift zu kurz - Grad der Verbundenheit mit luxemburgischem Arbeitsmarkt nicht zu beurteilen

Angesichts der Situation des Vaters des Klägers, der in den Jahren vor der Beantragung der Beihilfe durch seinen Sohn dauerhaft, weit länger als die Mindestdauer von fünf Jahren, in Luxemburg unselbstständig tätig war, reiche die bloße Berücksichtigung der vom Grenzgänger in Luxemburg während eines Referenzzeitraums von sieben Jahren vor der Beantragung der finanziellen Beihilfe ausgeübten Tätigkeit nicht aus, um den Grad seiner Verbundenheit mit dem luxemburgischen Arbeitsmarkt umfassend zu beurteilen.

EuGH, Urteil vom 10.07.2019 - C-410/18

Redaktion beck-aktuell, 10. Juli 2019.