EuGH: Kitkat-Riegel möglicherweise nicht als Unionsmarke schutzfähig

Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) muss erneut prüfen, ob die dreidimensionale Form des Produkts "Kit Kat 4 Finger" als Unionsmarke aufrechterhalten werden kann. Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25.07.2018 hervor, mit dem die Rechtsmittel von Nestlé, vom EUIPO und von Mondelez zurückgewiesen wurden (Az.: C-84/17 P, C-85/17 P und C-95/17 P).

EUIPO bejahte Unterscheidungskraft aufgrund Benutzung

Im Jahr 2002 meldete das Unternehmen Nestlé beim EUIPO (damals noch Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt) das dreidimensionale Zeichen, das dem von ihr vermarkteten Produkt "Kit Kat 4 Finger" entspricht, als Unionsmarke an. Das EUIPO trug die Marke im Jahr 2006 für folgende Waren ein: "Bonbons; Bäckereierzeugnisse, feine Backwaren, Kleingebäck; Kuchen, Waffeln". Im Jahr 2007 beantragte Cadbury Schweppes, nunmehr Mondelez UK Holdings & Services, beim EUIPO die Nichtigerklärung der Marke. Im Jahr 2012 wies das EUIPO diesen Antrag mit der Erwägung zurück, dass die Marke von Nestlé aufgrund ihrer Benutzung in der Union Unterscheidungskraft erlangt habe (im Folgenden auch bezeichnet als: Verkehrsdurchsetzung).

EuG hob Entscheidung des EUIPO auf

Mondelez beantragte daraufhin beim Gericht der Europäischen Union die Aufhebung der Entscheidung des EUIPO. Mit Urteil vom 15.12.2016 (BeckRS 2016, 115119) hob das Gericht die Entscheidung des EUIPO auf. Es stellte fest, dass das EUIPO einen Fehler begangen habe, als es den Schluss gezogen habe, dass die streitige Marke infolge ihrer Benutzung in der Union Unterscheidungskraft erlangt habe, obwohl dies nur für einen Teil des Unionsgebiets nachgewiesen worden sei. Obgleich festgestellt wurde, dass die angefochtene Marke in zehn Ländern (Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Finnland, Schweden und Vereinigtes Königreich) Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt hatte, befand das Gericht, dass das EUIPO seine Prüfung nicht rechtsgültig habe abschließen können, ohne sich zur Wahrnehmung dieser Marke durch maßgebliche Verkehrskreise in insbesondere vier anderen Mitgliedstaaten (Belgien, Irland, Griechenland und Portugal) zu äußern und die für diese Mitgliedstaaten vorgelegten Beweise zu prüfen.

Nestlé, Mondelez und das EUIPO legten Rechtsmittel ein

Nestlé, Mondelez und das EUIPO haben beim EuGH gegen das Urteil des Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt. Mondelez beanstandete die Feststellung des Gerichts, wonach die streitige Marke in Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Österreich, Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt habe. Nestlé und das EUIPO machten geltend, das Gericht habe zu Unrecht festgestellt, dass der Inhaber einer Unionsmarke nachweisen müsse, dass diese Marke in jedem einzelnen Mitgliedstaat infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe. Diese Auslegung des Gerichts sei mit der Einheitlichkeit der Unionsmarke und dem einheitlichen Markt selbst unvereinbar.

Rechtsmittel von Mondelez unzulässig

Der EuGH entschied, dass das von Mondelez eingelegte Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen ist, da es nicht die Aufhebung der Entscheidungsformel des angefochtenen Urteils, sondern nur die Änderung bestimmter Urteilsgründe bezweckt.

EuGH differenziert bei Nachweis

Im Hinblick auf die Rechtsmittel von Nestlé und EUIPO verweist der EuGH auf seine Rechtsprechung, nach der ein Zeichen ohne originäre Unterscheidungskraft nur dann als Unionsmarke eingetragen werden kann, wenn der Nachweis erbracht wird, dass es in dem Teil der Union Unterscheidungskraft erlangt hat, in dem es zuvor keine originäre Unterscheidungskraft hatte. Dieser Teil der Union könne gegebenenfalls aus nur einem einzigen Mitgliedstaat bestehen. Somit reiche für die Eintragung einer solchen Marke der Nachweis nicht aus, dass sie infolge ihrer Benutzung in einem bedeutenden Teil der Union Unterscheidungskraft erlangt hat. Insoweit sei zwischen den zu beweisenden Tatsachen, nämlich dem Erwerb von Unterscheidungskraft infolge der Benutzung eines Zeichens ohne Unterscheidungskraft einerseits, und den zum Nachweis dieser Tatsachen geeigneten Beweismitteln andererseits zu unterscheiden.

Originäre Unterscheidungskraft maßgeblich

Die Verordnung verlange nicht, dass die Verkehrsdurchsetzung mit unterschiedlichen Beweisen für jeden einzelnen Mitgliedstaat nachgewiesen wird. Es könne insbesondere sein, dass die Wirtschaftsbeteiligten im Hinblick auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen mehrere Mitgliedstaaten im gleichen Vertriebsnetz zusammengefasst und diese Mitgliedstaaten besonders aus der Sicht ihrer Marketingstrategien behandelt haben, als ob sie einen einzigen und einheitlichen nationalen Markt darstellen würden. In einem solchen Fall könnten die Beweise für die Benutzung eines Zeichens auf einem solchen grenzüberschreitenden Markt für alle betreffenden Mitgliedstaaten aussagekräftig sein. Es sei zwar nicht erforderlich, dass für die Eintragung einer Marke, die anfangs keine Unterscheidungskraft habe, für jeden einzelnen Mitgliedstaat nachgewiesen wird, dass sie durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat. Jedoch müssten die vorgebrachten Beweismittel den Nachweis ermöglichen, dass die Unterscheidungskraft in allen Mitgliedstaaten der Union erlangt wurde, in denen sie keine originäre Unterscheidungskraft besaß.

EuGH bestätigt EuG-Entscheidung

Der Gerichtshof bestätigt somit das Urteil des EuG, mit dem es entschieden hat, dass die Verkehrsdurchsetzung einer Marke, die keine originäre Unterscheidungskraft hat, für die gesamte Union und nicht nur für einen wesentlichen Teil des Unionsgebiets nachzuweisen sei, sodass, obwohl ein solcher Nachweis alle Mitgliedstaaten umfassend oder für Gruppen von Mitgliedstaaten erbracht werden könne, es nicht ausreiche, dass derjenige, der die Beweislast trägt, sich darauf beschränkt, Beweismittel vorzulegen, die einen Teil der Union nicht abdecken, selbst wenn es sich nur um einen einzigen Mitgliedstaat handelt. Daraus folge, dass das Gericht die Entscheidung des EUIPO zu Recht aufgehoben hat, in der das EUIPO festgestellt hat, dass die fragliche Marke Verkehrsdurchsetzung erlangt habe, ohne dass es sich zur Verkehrsdurchsetzung der Marke in Belgien, Irland, Griechenland und Portugal geäußert hat.

EuGH, Urteil vom 25.07.2018 - C-84/17

Redaktion beck-aktuell, 25. Juli 2018.