EuGH: Facebook muss auch wort- und sinngleiche Hasskommentare suchen und löschen

Ein Hosting-Anbieter wie Facebook darf gerichtlich verpflichtet werden, mit einem zuvor für rechtswidrig erklärten Kommentar wort- und unter bestimmten Umständen auch sinngleiche Kommentare zu entfernen. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 03.10.2019 entschieden. Unter Berücksichtigung des relevanten internationalen Rechts könne Facebook auch verpflichtet werden, solche Kommentare weltweit zu entfernen (Az.: C-18/18).

Hassposting über damalige österreichische Grünen-Fraktionsvorsitzende

Ein Facebook-Nutzer hatte auf seiner Profilseite einen Artikel des österreichischen Online-Nachrichtenmagazins oe24.at mit dem Titel "Grüne: Mindestsicherung für Flüchtlinge soll bleiben" geteilt. Dadurch wurde auf dieser Seite eine "Thumbnail-Vorschau" von der ursprünglichen Website generiert, die den Titel dieses Artikels, eine kurze Zusammenfassung davon sowie ein Foto der damaligen österreichischen Grünen-Fraktionsvorsitzenden (Klubobfrau) Frau Glawischnig-Piesczek enthielt. Der Nutzer postete außerdem einen Kommentar zu diesem Artikel, in dem er Glawischnig-Piesczek als "miese Volksverräterin" und Mitglied einer "Faschistenpartei" herabwürdigte. Glawischnig-Piesczek verklagte Facebook Irland deshalb vor den österreichischen Gerichten. Sie beantragte, Facebook per einstweiliger Verfügung zu verpflichten, den Kommentar sowie wort- und/oder sinngleiche Behauptungen zu löschen. 

Vorlagegericht: Kann Facebook zur Löschung wort- und sinngleicher Äußerungen verpflichtet werden?

Das österreichische Vorlagegericht, der Oberste Gerichtshof, nach dessen Feststellungen der Nutzerkommentar geeignet ist, Glawischnig-Piesczek in ihrer Ehre zu beleidigen, sie zu beschimpfen und zu diffamieren, bat den EuGH um Auslegung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (RL 2000/31/EG). Das Gericht wollte wissen, ob Facebook verpflichtet werden könne, auch und weltweit ihm nicht zur Kenntnis gelangte wort- und/oder sinngleiche Äußerungen zu entfernen.

Richtlinien-Vorgaben

Nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ist ein Hosting-Anbieter wie Facebook nicht für eine gespeicherte Information verantwortlich, wenn er keine Kenntnis von ihrem rechtswidrigen Charakter hat oder wenn er, sobald er davon Kenntnis erlangt, unverzüglich tätig wird, um diese Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Dieser Ausschluss hindert jedoch nicht daran, dass einem Hosting-Anbieter aufgegeben wird, eine Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, unter anderem durch die Entfernung rechtswidriger Informationen oder der Sperrung des Zugangs zu ihnen. Hingegen ist es nach der Richtlinie verboten, einen Hosting-Anbieter zu verpflichten, allgemein die von ihm gespeicherten Informationen zu überwachen, oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

EuGH: Facebook kann zu umfassenden Löschung wortgleicher Kommentare verpflichtet werden

Laut EuGH verwehrt die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, die ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen schaffen solle, es einem nationalen Gericht nicht, einem Hosting-Anbieter aufzugeben, die von ihm gespeicherten Informationen, die den wortgleichen Inhalt wie die zuvor für rechtswidrig erklärten Informationen haben, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, unabhängig davon, wer den Auftrag für die Speicherung der Informationen gegeben habe.

Entfernung von sinngleichen Inhalten unter bestimmten Umständen

Ferner sei es einem Gericht nicht verwehrt einem Hosting-Anbieter aufzugeben, die von ihm gespeicherten Informationen, die einen sinngleichen Inhalt haben wie zuvor für rechtswidrig erklärten Informationen, zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren. Voraussetzung ist dabei laut EuGH, dass die Überwachung und das Nachforschen der von einer solchen Verfügung betroffenen Informationen auf solche beschränkt seien, die eine Aussage vermittelten, deren Inhalt im Vergleich zu dem Inhalt, der zur Feststellung der Rechtswidrigkeit geführt habe, im Wesentlichen unverändert geblieben sei, und die die Einzelheiten umfassten, die in der Verfügung genau bezeichnet worden seien, und sofern die Unterschiede in der Formulierung dieses sinngleichen Inhalts im Vergleich zu der Formulierung, die die zuvor für rechtswidrig erklärte Information ausmache, nicht so geartet seien, dass sie den Hosting-Anbieter zwingen, eine autonome Beurteilung dieses Inhalts vorzunehmen (so könne der Hosting-Anbieter auf automatisierte Techniken und Mittel zur Nachforschung zurückgreifen).

Weltweite Löschung im Rahmen des Internationalen Rechts

Dem Hosting-Anbieter dürfe im Rahmen des einschlägigen internationalen Rechts, dessen Berücksichtigung Sache der Mitgliedstaaten sei, auch aufgegeben werden, weltweit die von der Verfügung betroffenen Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.

EuGH, Urteil vom 03.10.2019 - C-18/18

Redaktion beck-aktuell, 4. Oktober 2019.