EuGH: EU-Bürgerinitiative zur Förderung von Regionen mit einer nationalen Minderheit kann registriert werden

Die Europäische Kommission hat die Registrierung der europäischen Bürgerinitiative zur Verbesserung der Situation von Regionen mit einer nationalen Minderheit fehlerhaft abgelehnt. Der Europäische Gerichtshof hat die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union deshalb mit Urteil vom 07.03.2019 aufgehoben und den Beschluss der Kommission für nichtig erklärt (Az.: C-420/16 P).

Europäische Bürgerinitiative zur Förderung von Regionen mit einer nationalen Minderheit

Die beiden Kläger legten zusammen mit fünf weiteren Personen im Juni 2013 der Kommission eine geplante europäische Bürgerinitiative mit der Bezeichnung "Kohäsionspolitik für die Gleichstellung der Regionen und die Erhaltung der regionalen Kulturen" vor. Mit dieser Initiative soll erreicht werden, dass die Kohäsionspolitik der Union denjenigen geografischen Gebieten besondere Aufmerksamkeit widmet, die sich in ihren ethnischen, kulturellen, religiösen oder sprachlichen Merkmalen von den angrenzenden Gebieten unterscheiden ("Regionen mit einer nationalen Minderheit"). Hauptziel der Initiative ist es daher, Regionen mit einer nationalen Minderheit in Form von Maßnahmen zur Förderung, Erhaltung oder Entwicklung die Vorteile zugänglich zu machen, die sich aus der vorgenannten Politik ergeben, um zu verhindern, dass sie gegenüber den an sie angrenzenden Regionen wirtschaftlich benachteiligt werden. Die Organisatoren der Initiative brachten insbesondere vor, dass die Umsetzung der EU-Kohäsionspolitik die ethnischen, kulturellen, religiösen oder sprachlichen Besonderheiten der Regionen mit einer nationalen Minderheit bedrohe und dass diese Besonderheiten einen schweren und dauerhaften demografischen Nachteil darstellten, den die Union im Rahmen ihrer Kohäsionspolitik bekämpfen solle.

Kommission verweigerte Registrierung – EuG wies Nichtigkeitsklage ab

Die Kommission lehnte es ab, die geplante Initiative zu registrieren, weil sie offenkundig nicht in einen Bereich falle, in dem sie dem Unionsgesetzgeber einen Rechtsakt vorschlagen könne. Die Organisatoren erhoben daraufhin beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung des Kommissionsbeschlusses. Das EuG wies die Klage unter anderem mit der Begründung ab, dass die Organisatoren das Vorliegen der genannten Bedrohung und des genannten Nachteils nicht nachgewiesen hätten. Dagegen legten die Organisatoren beim EuGH ein Rechtsmittel ein.

EuGH: Registrierung fehlerhaft abgelehnt

Der EuGH hat das Urteil des Gerichts aufgehoben und den angefochtenen Beschluss der Kommission für nichtig erklärt. Er führt aus, dass die Europäische Bürgerinitiative zum Ziel habe, die Bürger zur Teilnahme zu ermutigen und die Union zugänglicher zu machen, so dass den Bürgern dieses Instrument leicht zugänglich sein müsse. Hinsichtlich der Frage, ob die Kohäsionspolitik eine Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung der Interessen der Regionen mit einer nationalen Minderheit auf Unionsebene darstellen könne, habe das Gericht befunden, dass die Antwort eine Tatsachen- und Beweiswürdigung enthalten müsse, für die die Beweislast bei den Organisatoren der Initiative liege. Mit dieser Begründung habe das Gericht im Hinblick auf die Bedingung für die Registrierung von Europäischen Bürgerinitiativen und die Aufgabenverteilung zwischen den Organisatoren einer solchen Initiative und der Kommission im Rahmen des Verfahrens einer solchen Registrierung aber einen Rechtsfehler begangen, so der EuGH. Denn die Frage, ob die im Kontext einer Europäischen Bürgerinitiative vorgeschlagene Maßnahme in den Rahmen der Befugnisse der Kommission falle, stelle keine Tatsachenfrage oder Frage der Beweiswürdigung dar, die den Beweislastregeln unterworfen sei, sondern im Wesentlichen eine Frage der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen der Verträge.

Kommission verkannte Prüfungsanforderungen im Anmeldestadium

Werde an die Kommission eine Anmeldung einer geplanten Europäischen Bürgerinitiative herangetragen, obliege es ihr in diesem Stadium weder zu prüfen, ob der Nachweis für alle vorgebrachten tatsächlichen Gesichtspunkte erbracht ist noch, ob die Begründung der geplanten Europäischen Bürgerinitiative und der vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichend ist. Sie habe sich auf die Prüfung zu beschränken, ob aus objektiver Sicht die abstrakt beabsichtigten Maßnahmen auf der Grundlage der Verträge getroffen werden könnten.

EuGH bestätigt: Besonderheiten der Regionen mit einer nationalen Minderheit kein "schwerer und dauerhafter demografischer Nachteil"

Der EuGH hat aber die Feststellung des Gerichts bestätigt, wonach die ethnischen, kulturellen, religiösen oder sprachlichen Besonderheiten der Regionen mit einer nationalen Minderheit nicht unter den Begriff "schwerer und dauerhafter demografischer Nachteil" fallen und daher im Rahmen dieses Begriffs für die Zwecke der Kohäsionspolitik nicht berücksichtigt werden können. Denn diese Besonderheiten könnten im Vergleich zu den angrenzenden Regionen nicht zwingend einen Nachteil für die wirtschaftliche Entwicklung darstellen.

EuGH, Urteil vom 07.03.2019 - C-420/16

Redaktion beck-aktuell, 7. März 2019.