Einziehung gutgläubigen Dritten gehörender Tatwerkzeuge unionsrechtswidrig

Eine nationale Regelung, nach der ein für die Begehung eines schweren Schmuggels verwendetes, aber im Eigentum eines gutgläubigen Dritten stehendes Tatwerkzeug eingezogen werden kann, verstößt gegen das Unionsrecht. Dies hat der Europäische Gerichtshof am 14.01.2021 entschieden. Zudem müsse der Eigentümer über einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Einziehung verfügen.

Fernfahrer schmuggelte antike Münzen in Sattelschlepper

Ein Fernfahrer, der für eine Spedition in der Türkei arbeitete und Güter zwischen der Türkei und Deutschland transportierte, ließ sich gegen Bezahlung darauf ein, fast 3.000 antike Geldmünzen nach Deutschland zu schmuggeln. Nach Überschreiten der Grenze zwischen der Türkei und Bulgarien wurden die versteckten Münzen bei einer Zollkontrolle in der Zugmaschine des von ihm gefahrenen Sattelzugs entdeckt. Im Lauf der Ermittlungen verlangte das türkische Unternehmen die Rückgewähr des Sattelschleppers und -hängers mit der Begründung, dass es in keinem Zusammenhang mit der Straftat stehe und die Rückgewähr der Gegenstände die Ermittlungen nicht beeinträchtige. Dieses Ersuchen wurde abgelehnt.

Darf gutgläubigem Arbeitgeber gehörender Sattelschlepper eingezogen werden?

Der Fernfahrer wurde wegen schweren Zollschmuggels verurteilt. Nach der Verurteilung wurden die Geldmünzen und der Sattelschlepper zugunsten des bulgarischen Staates beschlagnahmt. Der Sattelanhänger, der in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Straftat stand, wurde dem türkischen Unternehmen zurückgewährt. Nach bulgarischem Recht kann ein Beförderungsmittel, das für die Begehung eines schweren Schmuggels verwendet wurde, auch dann eingezogen werden, wenn es einem gutgläubigen Dritten (hier: dem Arbeitgeber) gehört. Das Vorlagegericht hatte Zweifel, ob dies mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist, und rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an.

EuGH: Einziehung von gutgläubigen Dritten gehörenden Tatwerkzeugen verletzt Eigentum

Laut EuGH ist die bulgarische Regelung unionsrechtswidrig. Im vorliegenden Fall einer Straftat, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sei, unterliege die Einziehung dem Unionsrecht, nämlich dem Rahmenbeschluss 2005/212/JI, der auch für die Einziehung von Vermögensgegenständen Dritter gelte. Der Beschluss verlange, dass die Rechte gutgläubiger Dritter geschützt werden, zu denen das durch die Charta garantierte Eigentumsrecht gehöre. Dieses Recht könne Beschränkungen nur unterworfen werden, soweit diese Allgemeinwohlzielen dienten und verhältnismäßig seien. Mit der bulgarischen Regelung solle die unerlaubte Einfuhr von Waren in das Land verhindert werden. Die Einziehung betreffe jedoch einen gutgläubigen Dritten, der weder gewusst habe noch habe wissen können, dass sein Vermögensgegenstand für die Begehung einer Straftat verwendet werde. Sie sei daher unverhältnismäßig und wahre mithin nicht das Eigentumsrecht.

Dritter muss über wirksamen Rechtsbehelf verfügen

Weiter führt der EuGH aus, dass von der Einziehung der Tatwerkzeuge und Erträge aus Straftaten betroffene Personen nach dem Rahmenbeschluss über wirksame Rechtsbehelfe zur Wahrung ihrer Rechte verfügen müssten. Die Grundrechtecharta sehe zudem vor, dass jede Person, deren durch das Unionsrecht garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden seien, einen Anspruch darauf habe, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Somit müssten auch Dritte wie im vorliegenden Fall über einen solchen Rechtsbehelf verfügen. Nach den Angaben des Vorlagegerichts fehlt es daran aber im bulgarischen Recht.

EuGH, Urteil vom 14.01.2021 - C-393/19

Redaktion beck-aktuell, 14. Januar 2021.